Denken 3000
Gottfried Böhm
Die ikonische Differenz ist eine Grundüberlegung zu der Frage, wie Bilder Sinn erzeugen
Ein Gespräch mit Birgit Richard
Der Kunst- und Bildwissenschaftler Gottfried Boehm prägte den für die Diskussion von gegenwärtigen Bildphänomenen unterschiedlichster Provenienz wesentlichen Begriff des Iconic Turn, der nicht nur der Vortragsreihe „Iconic Turn“ ihren Namen gab, sondern eine breite interdisziplinäre Diskussion über die Bedeutung von Bildern initiierte. Boehm vertritt die These, dass Bilder eine eigene Logik besitzen, ihren Sinn aus genuin bildnerischen Mitteln erzeugen und somit von der Sprache kategorisch zu trennen sind. Bilder sind eine Leerstelle im Gebrauch unseres rationalen Systems, die im Dienst der Sprache stehen. Boehm tritt an, ein Bewusstsein für den Sinn jenseits der Sprache zu schaffen, bis hin zu seinem Konzept von ikonischer Alphabetisierung, einer Pädagogik und Kultur des „Sehen Lernens“. Seit Mitte der 90er Jahre betont er immer wieder den Eigensinn des Bildlichen und markiert den Eintritt des Bildes als Erkenntnisinstrumentarium in der Philosophie. Er betont die Eigenarten und Nicht-Eindeutigkeiten des Visuellen und verneint den Abbildungscharakter des Bildes. Durch seine Verbindung von Kunstgeschichte und Philosophie und die interdisziplinäre Ausweitung der Auseinandersetzung mit dem Bild und seiner Neupositionierung ist er einer der einflussreichsten Bildwissenschaftler der Gegenwart.
Gottfried Böhm, geb. 1942 in Braunau (Böhmen). Studium der Kunstgeschichte, Philosophie, Germanistik in Köln, Wien und Heidelberg. Promotion 1968 in Philosophie, Habilitation 1974 in Kunstgeschichte in Heidelberg. Von 1975-1979 Dozent und apl.Prof. für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum, 1979-1986 Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Giessen. Seit 1986 Ordinarius für Neuere Kunstgeschichte Universität Basel. Fellow des…