Daniel Schwartz
Die Großen Mauern Chinas – eine Idee
DANIEL SCHWARTZ (*1955 in Olten, lebt in Zürich): Das großangelegte Fotoprojekt “The Great Wall of China”, 1991 als Buch bei Thames und Hudson in London erschienen, ist das Zeugnis von Hartnäckigkeit und Ausdauer. Ein konzeptueller Bildbericht, der Maß genommen hat an seinem Gegenstand, dem einzigen von Menschenhand geschaffenem Bauwerk, das von bloßem Auge vom Mond aus gesehen werden kann: die Chinesische Mauer in ihrer Ganzheit. Wenn auch die Mondgeschichte als Illusion entpuppt wurde, die Legende hält sich hartnäckig (siehe den Beitrag über Ulay in diesem Heft).
Eine gigantische Metapher ist die Mauer allemal. Daniel Schwartz hat sie als Grenze der Welt und der Vorstellung gelesen. Deshalb zeigt er in seinem Fotoprojekt “die ganze Mauer”, von der koreanischen Grenze im Osten des Riesenreichs bis in die Wüste Gobi, über 5000 Kilometer. Es gibt nur sehr wenige Menschen, welche die Mauer in ihrer ganzen Ausdehnung gesehen haben, und mit Bestimmtheit nur einen einzigen Fotografen. Das Maßlose der Mauer verlangte eine ästhetische Strategie. Schwartz legte einen Weg fest: entlang der Mauer, nur wenig Abstecher mit anekdotischen Bildern. Höchst selten weisen die Bilder auf den Reisenden hin, schon gar nicht auf seine Strapazen. Jede Sentimentalität fehlt; man könnte diese Bilder gar für kalt halten, wenn man sie nicht intensiv genug entziffert.
Das Projekt hat den Schweizer Fotografen Daniel Schwartz vier Jahre lang beschäftigt, nicht am Stück, aber immer wieder, acht Monate Reisen, bestimmt auch acht Monate Dunkelkammer. Das Projekt erzwingt ästhetische Auseinandersetzung, denn Schwartz zeigt zwar “die…
