Die große Utopie. Die russische Avantgarde 1915-1932
Schirn Kunsthalle, Frankfurt, 1.3. – 10.5.1992
von Jörg Restorff
Die Eingangsrotunde der Frankfurter Schirn, Schauplatz der Ausstellung “Die große Utopie. Die russische Avantgarde zwischen 1915 und 1932”, besetzt ein Wahrzeichen des Konstruktivismus, Wladimir Tatlins Modell zu einem “Denkmal der III. Internationale” (1919/20). Was hier als filigrane Konstruktion fünf Meter hoch emporragt, ist allerdings nur eine Nachbildung des vernichteten Originalmodells. Der Bau von Tatlins titanischem Turm, geplant um ein Drittel höher als der Eiffelturm, scheiterte – ebenso wie der Glaube einer ganzen Generation von Malern, Bildhauern und Architekten, die Kunst könne zur Verwirklichung des von einer totalitären kommunistischen Ideologie verheißenen irdischen Paradieses beitragen.
In bislang einzigartiger Fülle bietet die Ausstellung der Schirn ein nahezu komplettes Panorama der russischen Revolutionskunst, das zeitlich bis zu Stalins Verbot sämtlicher Künstlergruppierungen 1932 reicht. Gezeigt werden rund 800 Werke aus den Bereichen Malerei, Grafik, Plakatkunst, Fotografie, Kunsthandwerk, Skulptur, Architektur und Theater. Nach inhaltlichen Kriterien unterteilt in 13 Sektionen, präsentiert die Mammutschau an die 150 Künstler, wobei die Protagonisten der russischen Avantgarde wie El Lissitzky, Gustav Kluzis, Malewitsch, Ljubow Popowa, Rodtschenko und Tatlin mit größeren Werkblöcken vertreten sind. Verglichen mit jener Auswahl russischer Avantgardekunst, die 1979, bei der legendären Vorgängerausstellung “Paris – Moskau” im Centre Pompidou zu sehen war, gelang es dem aus russischen, amerikanischen und deutschen Kunsthistorikern zusammengesetzten Ausstellungskomitee – nicht zuletzt aufgrund des politischen Tauwetters -, das Spektrum erheblich auszudehnen, auch um eine Reihe von Neuentdeckungen aus entlegenen russischen Provinzmuseen.
Um diese Anhäufung von Exponaten besucherfreundlich zu dosieren, sind in der ganz…