Klaus Honnef
Die geplante und analytische, fundamentale und elementare Malerei bevor sie radikal wurde: Die Siebziger Jahre
Als Rini Dippel im Frühjahr 1975 die Renaissance (im Niederländischen: Herleving, im Englischen: Revival) der Malerei ausrief, konnte sie nicht ahnen, daß dem Medium binnen kurzer Zeit eine Art doppelter Wiedergeburt beschert sein würde. Denn die »Neue Malerei«, die sie meinte, hatte nichts zu tun mit jener üppigen oder – je nach Perspektive – desolaten Selbstfeier emotional getönter Malfreude, mit der die beginnenden 80er Jahre illuminiert wurden; sondern sie manifestierte sich – zumindest auf den ersten Blick – in allem als deren veritabler Gegenpol: aufs Äußerste reduziert das formale Rüstzeug, im Augenschein karg und nur die subtilsten Sinnesappelle stimulierend, was gleichwohl nicht Ziel der künstlerischen Bestrebungen war, denen sie ihre Existenz verdankte, sowie begleitet von ausgiebigen theoretischen Überlegungen, die nichtsdestoweniger selbstverständlich aus der künstlerischen Praxis erwuchsen, auf diese beständig reflektierten und von den Künstlern als integrierter Bestandteil des ästhetischen Programms begriffen wurden.
Rini Dippel hat dieser Form der »Neuen Malerei« unter dem programmatischen Titel »Fundamentale Schilderkunst« (Fundamental painting) eine repräsentative Ausstellung im (damals noch trendsetzenden) Stedelijk Museum zu Amsterdam bereitet. Mit der Ausstellung zog sie die Bilanz einer Entwicklung innerhalb der zeitgenössischen Malerei der westlichen Hemisphäre, die sich direkt auf die Anfänge des ästhetischen Selbstverständnisses der Avantgarde zurückführen läßt. Als »Geplante« und »Analytische« war die »Neue Malerei« allerdings schon vor dem Resümee des Stedelijk Museums ins Bewußtsein der kunstinteressierten Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland getreten, als »Nuova Pittura« hatte sie die ästhetische Diskussion in Italien, als…