Wulff D. Rehfus
Die Fahndung nach der Bedeutung von Kunst
Brocks Theorie ist tückisch. Präsentiert sie sich vordergründig als kompakte und strin-gente Einheit, so zerfällt sie beim näheren Hinsehen in diffuse Bruchstücke, die in sich selbst nochmals zerbrechen.
Brock hat eine explizite und eine implizite Theorie; die erste formuliert er innerhalb der ‘Besucherschule’, die zweite ist Grundlage der ‘Besucherschule’, ohne daß sie eigens thematisiert wäre.
I. Zum Konzept der ‘Besucherschule’
L. die Unfähigkeit zu Denken
Brock hat sich im Katalog zur ‘documenta 6’ zu seiner ‘Besucherschule’ geäußert. Leider aber weder zu der angewandten (didaktischen) Methode, noch zur Funktion der eingesetzten Medien (in didaktischer Absicht), geschweige denn zu den Prämissen oder gar zum Zusammenhang dieser Momente.
Brock nennt immerhin Ziele: die ‘Besucherschule’ will dem Besucher der ‘documenta 6’ ‘wenigstens einen Vorschlag machen, wie man denn die Vielzahl der unterschiedlichsten Ausstellungsbeiträge in einem Zusammenhang 26
sehen kann.’ (Zitate ohne Angabe stammen aus dem Vortrag). Brock sieht diesen Zusammenhang – formal genug – in der ‘Bedeutung’: die Kunstwerke bedeuteten etwas. Da Bedeutung, so Brock, auf der Fähigkeit zu unterscheiden beruhe, soll der Besucher Unterscheidungsfähigkeit erwerben. Und ein zweites soll er lernen: daß die Bedeutungen nicht in den Kunstwerken steckten, sondern vom Rezipienten ‘aufgebaut’ werden müßten. Um dies zu trainieren, soll der Besucher die vom Künstler getroffenen Unterscheidungen nachvollziehen und gleichzeitig selbst Gesichtspunkte entwickeln, kraft derer er unterscheiden will, d.h.: Bedeutungen aufbauen.
Das leuchtet ein.
Aber: der Besucher lernt bei Brock eben nicht, ‘Unterscheidungsgesichtspunkte’ zu entwickeln. Sondern: er bekommt an einigen (Bild)-Beispielen Unterscheidungen vorgeführt,…