Michael Hübl
Die Eule, der Jaguar und die Drohne
Atomkriege und andere Aspekte vom Ende des Menschen
Auf einer Anhöhe im Nordosten von Reykjavik steht ein Jaguar. Sein Platz ist dermaßen exponiert, dass es aussieht, als würde er die Straße nach Þingvellír bewachen; das ist die Felsspalte, an der die Isländer der Wikingerzeit ihre Volksversammlungen abhielten und die heute zum Standardprogramm aller Pauschal- und Individualreisenden gehört. Der weiße Jaguar scheint zu lauern. Jederzeit einsatzbereit. Die Kühlerhaube so ausgerichtet, dass kein langes Rangieren nötig wäre, sollte es erforderlich werden sofort loszusprinten. Und sei es um eine Verfolgungsjagd aufzunehmen. Immer auf dem Sprung. Auch wenn der Besitzer schon lange tot ist.
Der elegant geformte Wagen parkt in der Einfahrt eines Dichterhauses, das als Museum genutzt wird. Er gehörte (wie das Haus) Halldór Laxness und war offenbar dessen ganzer Stolz. Möglich, dass sich Laxness mit der Limousine selbst belohnt hat. Der Autor konnte sich ein solches Luxusgefährt leisten. Immerhin war er 1955 mit dem Literatur-Nobelpreis geehrt worden, und zwar für einen Roman, der so drall wie drastisch, lebensprall und plastisch vor Augen führt, welche Konflikte in der Nachkriegszeit auf Island virulent waren. Gerade erst hatte die ehemalige dänische Kolonie ihre vollständige politische Unabhängigkeit erlangt. Von Luftangriffen, Stuka-Einsätzen oder Flächenbombardierungen war sie verschont geblieben – kein Vergleich zu der Situation in Coventry, Rotterdam, Warschau oder in den Städten derer, die einst die Saat der Zerstörung entfesselt hatten und sich nun in den Ruinen von Hamburg, Köln oder Dresden neu einzurichten versuchten. Und doch waren auch in…