Rainer Metzger
Die Entdeckung der Kindheit.
»Das englische Kinderporträt und seine europäische Nachfolge«
Städel Museum, Frankfurt. 20.4. – 15.7.2007
Eine der sinistersten Gestalten der an solchen Exemplaren nun wirklich nicht armen Moderne lebte gleich an deren Anfang. Mit seiner Verfügung vom allgemeinen Willen, der „volonté générale“, gab Jean-Jacques Rousseau den kollektiven Fanatismen die perfekte Handreichung. Dass derlei dann in einen „Triumph des Willens“ umschlagen würde, war durchaus abzusehen, bevor Leni Riefenstahl ihre Führer-Eloge danach benannte. Rousseaus ganzes Denken kreist um die Dialektik der Aufklärung. Seine Mutter ist bei seiner Geburt gestorben. Als wäre es ein Ausgleich, gab er selbst seine fünf Kinder ins Waisenhaus. Von einer solchen Beobachterposition aus ließ es sich gut schwadronieren über die natürliche Güte des Menschen, die verschütt gegangen wäre im Malstrom der Geschichte.
Rousseaus wirre Zivilisationskritik war im späteren 18. Jahrhundert ein veritabler Zeigeist-Spleen geworden, und nicht nur seine eigenen Kinder hatten das auszubaden. Es war insgesamt eine sehr spezielle Form von „Entdeckung der Kindheit“, die hier stattfand. Wie sie aussieht, zeigt eine enorm spannende, gerade in der Beschränkung lehrreiche Ausstellung, die das Frankfurter Städel in Zusammenarbeit mit der Londoner Dulwich Picture Gallery veranstaltet. Die Schau mit dem Untertitel „Das englische Kinderporträt und seine europäische Nachfolge“ führt an weniger als dreißig, aber dafür samt und sonders herausragenden Beispielen vor, wie man die Kleinen ins Gebüsch pflanzte, weil sie da so natürlich, sie neben eine Gießkanne platzierte, weil sie da so organisch, und wie sie sich im Laufschritt ertüchtigen, weil sie da so beweglich wirken.
Die Kinder seien ja ganz…