Jürgen Raap
Die Dritte Haut: Häuser
My home is my castle”, proklamiert ein geflügeltes Wort. Ein Raum des Schutzes, des Rückzugs und der Geborgenheit vor der Unbill der Außenwelt. Im Deutschen drückt der geringe phonetische Unterschied zwischen “Hülle” und “Höhle” auch eine starke etymologisch-semantische Übereinstimmung aus. Das “traute Heim” der Bausparkassen-Werbung und die Heimat als eine emotionale Verortung unserer Biografien haben ihre begrifflichen wie psychologischen Wurzeln in einer anthropologischen Grundbedingung unserer Existenz: Der Mensch braucht einen sicheren Schlafplatz.
Ein Haus ist jedoch mehr als nur eine praktisch nutzbare architektonische Hülle: Künstler haben immer wieder utopische Visionen artikuliert und phantastische Gebilde geschaffen, die allenfalls begehbar, aber nicht bewohnbar oder lediglich als Skulptur gedacht sind.
Zdenek Felix nennt als älteste Beispiele für solche Kunstwerke die japanischen “Haniwa”-Häuser des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr.: Diese keramischen Kleinplastiken dienten als Votivbeigaben für Gräber 1 . In der jüngeren europäischen Kunstgeschichte haben die Iglu-Skulpturen von Mario Merz einen hohen Bekanntheitsgrad. Der kunstgeschichtliche Bogen einer solchen Dokumentation zum Thema “Haus” reicht also von solchen sakralen kultischen Objekten, wie sie Zdenek Felix erwähnt, bis hin zu den gestaltpsychologischen und konstruktivistisch-formalästhetischen Konzeptionen in der zeitgenössischen Bildhauerei und Installationskunst. Wegen seiner archaischen existenziellen Bedeutung ist das Haus auch ein zentraler ikonografischer Topos in der Geschichte der Malerei und der Fotografie.
Im Falle von Kurt Schwitters (“Merzbau”) und Gregor Schneider (“Haus u r Rheydt”) ist zwar das eigene Wohnhaus Objekt der künstlerischen Gestaltung, doch generell geht es bei diesen Themenbänden “Haus” primär nicht nur um solche Künstler-Häuser, die dauerhaft zum Wohnen vorgesehen…