Die Dinge Laufen über sich selbst Hinaus – vom Umschlag des Politischen ins Inszenierte
Gespräch mit Jean Baudrillard von Sara Rogenhofer und Florian Rötzer
Ihre Schriften werden in Deutschland wie viele der anderen französischen Theoretiker häufig nur als eine Art ästhetisierter oder literarischer Rede akzeptiert, die allerdings das Feld des theoretischen Diskurses verlassen hat. Insbesondere Sie wurden etwa kürzlich im MERKUR als der Prototyp eines »Verwalters der theoretischen Leere« kritisiert, der eine unkritische und entpolitisierte Position bezogen habe. Sie schrieben kürzlich selber, daß heute jede kritische Radikalität unnütz geworden sei. Warum?
Ich meine nicht unnütz, sondern zwecklos. Wir haben den ganzen Zyklus des kritischen Gedankens bereits durchlaufen. Meine früheren Bücher waren noch durchaus kritisch. Aber seit dem »Symbolischen Tausch und der Tod« ging es in eine andere Rede über, auch wenn dies Buch selbst noch kritisch ist, denn in ihm ist eine Sehnsucht etwa nach einem symbolischen Austausch noch vorhanden. Gleichfalls war die Hypothese der Simulation noch kritisch gemeint in dem Sinn, daß es in ihr ein situationistisches Erbe gab und sie von der Existenz der Entfremdung ausging. Aber von da ab gab es keine Sehnsucht mehr nach einer anderen Ordnung oder nach einer Subversion im eigentlichen Sinne. Es ging über die symbolische Ordnung hinaus und die kritische Perspektive wurde beiseite gelassen. Die Kritik rutschte von selbst ins Abseits, nicht aus einem entschiedenen Verzicht.
Aber warum meinen Sie, daß Kritik sinnlos sei?
Ich meine zwecklos im Sinne des Funktionierens innerhalb unserer modernen Systeme. Wir wissen, daß jede Kritik, jede Gegenkraft das System nur ernährt….