Die Bastardisierung der Kunst
Die 9. Berlin-Biennale löst die Grenzen zwischen Kunst und Werbung, PR und Engagement auf.
Von Ingo Arend
Wie weit kann man gehen mit der ironischen Aneignung der Gegenwart, ohne ihr auf den Leim zu gehen? Unter dieser Frage ließe sich die 9. Berlin-Biennale subsumieren. Bei der Werbung für das 1996 gegründete Event, damals experimentell, inzwischen fast schon traditionell, fing es an. „Why should fascists have all the fun“ stand auf einer blauen Fahne am Außengebäude der Kunst-Werke in der Auguststraße auf blauem Grund zu lesen. Der auffälligste der vielen Leitsprüche, die die meisten Eingänge der fünf Biennale-Venues umwehen. „Kann mir jemand diesen Spaß erklären?“ empörte sich ein ausländischer Kurator auf Facebook.
DIS, das vierköpfige, amerikanische Kuratorenteam der Biennale (Lauren Boyle, Solomon Chase, Marco Roso und David Toro), dürfte sich gefreut haben über die Reaktion. „Statt Vorträge über Ängste abzuhalten, lasst uns die Leute erschrecken“ schreiben sie im kuratorischen Statement ihrer Show – Schocktherapie geglückt. Aber was folgt daraus? Dass man den weltweit ins Kraut schießenden Neofaschismus auf die Fun-Schippe nehmen soll? Dass man den Fun der Faschisten kopieren soll?
Der empörte Kurator schüttelte nicht als einziger den Kopf über den verunglückten Pseudo-Joke. Manche fühlten sich daran erinnert, wie Artur Zmijewski, Künstler-Kurator wie DIS, zur 7. Biennale 2012 statt zum kritischen Appropriateur unfreiwilliger Wiedergänger der Nazi-Ästhetik wurde, als er im ehemaligen jüdischen Scheunenviertel um die Auguststraße einige Schaufenster von Boutiquen und Läden weiß bepinseln ließ, um an die brutale Arisierungspolitik des „3.Reichs“ zu erinnern.
Jedenfalls: Die seltsame, bisweilen einfach nur unverständliche Komik diesmal…