Die angenommene Identität
Antikenkonstruktion in der Havellandschaft des Berliner Klassizismus
von Jan Pieper
Man möchte die landläufige Kennzeichnung Berlins als “Spree-Athen” wohl für eine neuzeitliche, den sparsamen preußischen Klassizismus bespöttelnde und karikierende Benennung halten, die der sprichwörtlichen “Berliner Schnauze” erst im Nachhinein, etwa der großstädtischen Zwanziger Jahre entwischt wäre, indessen ist dies Charakteristik zeitgenössisch und durchaus programmatisch zugleich. Als Langhans 1789 mit seinem Brandenburger Tor den Klassiszismus aus der Dessauer Provinz in die preußische Hauptstadt holte, konnte man im gleichen Jahr in den Schlesischen Provinzialblättern lesen, daß mit diesem Bauwerk ein ganz neuer Anspruch erhoben werden sollte, “indem es die edle Simplizität der Alten uns wieder vor Augen rückt und unter dem nördlichen Himmelsstrich die Ruinen von Athen zu einem schönen ganzen sich wieder verjüngen und bilden läßt” 1 “Nördlicher Himmel” und ein “verjüngtes Athen”, dies blieb der Tenor, der das klassische Bauen in Berlin begleiten sollte, und noch im Baedecker von 1900 heißt es in popularistischen Wendungen über das Werk Schinkels: “Er suchte so zu bauen, wie die alten Griechen, wenn sie unter uns lebten, gebaut haben würden und gab damit dem tief gesunkenen Kunstvermögen wieder eine gesunde Grundlage”2.
Dem Bauen “so wie die alten Griechen gebaut haben würden” waren in den Zweck und Repräsentationsbauten der Hauptstadt naturgemäß die engen Grenzen gesetzt, die der Rhythmus des großstädtischen Lebens und die modernen Funktionen der antiken Hüllen zuließen, und das “Athenische beschränkte sich auf die Portiken und Säulenumgänge der öffentlichen Bauten, die als klassizistische Inseln in einem weitgehend unklassischen Stadtgefüge verstreut lagen: weit entfernt von…