Renate Puvogel
Didier Vermeiren
Bonnefantenmuseum, Maastricht, 22.9.1990 – 10.2.1991
Zu den revolutionärsten und folgenreichsten Neuerungen moderner Plastik zählt sicherlich der Schritt von August Rodin, die Skulptur vom Sockel zu holen, sie ohne stützendes, heraushebendes Postament direkt auf den Boden zu stellen. Damit ist sie nicht länger an die Maße des Sockels gebunden, sondern kann sich in alle Richtungen in den sie umgebenden Raum ausbreiten. – Didier Vermeiren kehrt den Spieß um, er verzichtet auf die Skulptur und führt ausschließlich ihren quadratischen Sockel vor, der sich dann wie ein minimalistisches Objekt im Raum ausmacht. Sockel und Skulptur fallen somit in eins, der Sockel nimmt den Charakter von Skulptur an. Keineswegs will der 1951 in Brüssel geborene Bildhauer mit dieser demonstrativen Geste die geschichtliche Entwicklung ungeschehen machen und mit nostalgischem Rückgriff die Skulptur etwa wieder inthronisieren. Vielmehr resultiert sein kurioses Konzept eines skulpturenlosen Sockels aus der kritischen Beobachtung, daß angesichts einseitig formalen Diagnostizierens von Skulptur ihre Grundbedingung selbst, der innere Zusammenklang zwischen Form, Inhalt und Funktion, verlorengegangen sei. Vermeiren befürchtet, daß die skulpturale Form als aus sich selbst begründete, selbständige Einheit abhanden gekommen sei. Nun könnte er dieser Gefahr begegnen mit kompakten, in sich stimmigen, allansichtigen Objekten, mit oder ohne Sockel präsentiert. Statt dessen begibt er sich erneut auf das theoretische Feld und erweitert die Problemstellungen der großen Bildhauer-Strategen der Nachkriegszeit, insbesondere die der Minimalisten, um einige Aspekte. Er holt gewissermaßen das sich im Raum auflösende Objekt wieder zu seinem Zentrum zurück und klärt mit einem kargen Bildvokabular Grundbedingungen der Plastik wie Form, Volumen,…