Annelie Pohlen
Diango Hernandez
Warten oder Fliegen – Die “Power” des Zeichenstiftes im Werk des Amateurs
Als die 68er Kuba noch als Insel der Zukunft feiern, erlebt Diango Hernández Castros ‘Vision’ vom neuen Menschen in einer Internatsschule auf dem Land als Alptraum. Auch wenn er seine eigenen Texte wie die seiner Interpreten mit zahlreichen Deutungsmöglichkeiten aus dem kubanischen Alltag versieht, diese wie alle weiteren Erfahrungen in seinem Heimatland werden zum Brennpunkt in einem kreativen Kosmos, in dem ‘Kuba’ mehr ist als ein politischer Fall – und mehr als ein ‚Geburtsort’, auf den man verzichten kann.
1988 beginnt Hernández ein Studium in Havanna. Noch keimen Hoffnungen auf Befreiung aus den kollektiven Verordnungen. Sie verblühen schnell und mit ihnen auch sein Traum vom Schriftsteller. Als poetische Leitmelodie klingt er bis heute nach. Der Alltag reduziert die Hoffnungen auf die Zwänge des nackten Überlebens. Utopien kann man nicht essen, schon gar nicht die Durchhalteparolen der vergreisenden Revolutionsakrobaten, die die selbst von der Sowjetunion ‚verlassene’ Musterinsel reicher besetzen als die Dinge des täglichen Bedarfs. In der allgegenwärtigen Mangelgesellschaft bietet ihm das Studium des Industrial Design eine berufliche Perspektive.
Die Kreativität der Überlebenstaktiken einer – an der Oberfläche eher sprachlosen – Bevölkerung liefert dem Gestalter schnell bessere Muster als das verordnete Zukunfts-Design. In dieser Situation richtet er sich als Beobachter ein, sammelt und filtert aus dem Gegebenen der alles überrollenden Parolen die Relikte gescheiterter Träume, übersetzt sie mit subversiver Distanz in poetisch codierte Entwürfe einer doppelbödigen Wirklichkeit, die sich jeder selbstgewissen Spezialistenrhetorik entzieht. Aus der Erfahrung des Scheiterns großer…