Diana Scherer
Über Riesen, Gaia-Kleider und Anti-Symbiose
Ein Gespräch von Herbert Kopp-Oberstebrink
Die Kunst von Diana Scherer (*1971) macht das Unsichtbare sichtbar und verkehrt dabei die gewachsenen Ordnungen von oben und unten. So zeigt sie etwa Wurzeln, die oben auf einem Ballen Erde ruhen, während die Grashalme unten liegen. Sie befasst sich zunächst intensiv mit den materialen Aspekten der Kunst. Während der letzten zehn Jahre waren ihre bevorzugten Werkstoffe verschiedene Arten von Gras, zumeist Hafer, Mais oder Weizen, Erde, Wasser und Kunststoffe. Scherer erforscht unter Zuhilfenahme von Wissenschaft Wuchs und Wuchsbedingungen von Gräsern und kultiviert diese in Gewächshäusern. Dabei bedeutet Kultivierung – ihrem alten Sinne nach Anbau und Pflege – gerade kein Gewährenlassen, sondern ist Disziplinierung und Formgebung.
Auch das führt Scherer vor Augen und bringt uns so an den Anfang menschlicher Kultur und Zivilisation. Doch ist das natürlich-kultiviert Gewachsene nur eine Domäne ihrer Kunst. Sie geht einen Schritt weiter und erinnert daran, dass unser sezierend-neugieriger Blick einen Riss, eine Beschädigung, sei es der gewachsenen Form (Grasfeld), sei es der kulturellen Form (Vasen) voraussetzt – eine Ertötung des Natürlichen. Scherers künstlerische Praxis folgt einer Ästhetik des Zusammenwirkens, und das gleich in mehrfacher Hinsicht: des Zusammenwirkens von natürlichen Wachstumsprozessen und menschlichen Interventionen, von natürlichen und kulturell geprägten Materialien, von Naturformen und Kunstformen, von Kunst und wissenschaftlicher Materialforschung, botanischer Expertise, hortikultureller Praxis.
Die Elemente dieses Zusammenwirkens gehen spannungsreiche Verhältnisse ein, die sich dem Betrachtenden in disparaten künstlerischen Gebilden von fragiler Schönheit mitteilen. So zeichnen sich Scherers Arbeiten durch die Verbindung der Zartheit grüner Gräser und feiner…