Heinz-Norbert Jocks
Deutschsein?
Kunsthalle, Düsseldorf, 13.3. – 25.4.1993
Die Konfrontation in Düsseldorf mit der Frage, ob es so etwas wie “Deutschsein?” in der Kunst überhaupt gebe, ist schmerzhaft verbunden mit dem Totalitarismus deutscher Geschichte. Und zwar so sehr, daß es wie eine Tabuverletzung anmutet, wenn auch nur das mit einem Fragezeichen versehene, aber von vornherein so gemein klingende Wort Erwähnung findet. Erst recht heute, wo die Aggression gegen Ausländer seit dem Mauerabbruch von Berlin sich so schlagartig potenziert. Da muß wider Willen der Verdacht unseres kollektiven Wiederholungszwanges aufkeimen. Das Sichschämen über die drohende Abkehr von Demokratie wird dann zur Tugend. Um so heikler, wenn ein von der strammen Rechten okkupiertes Wort im Kontext der vom bürgerlichen Zeitalter verklärten Kunst auftaucht.
Behauptet diese nicht gerne von sich, frei von Zweck, Geld und dem Schmutz der Außenwelt, also rein zu sein, und geht sie nicht gleichzeitig im Ausland mit dem Typisch-Deutschen an ihr als Warencharakter auf Kunden-und Rezipientenjagd? Der Alchimist und Sammler von Mythen Anselm Kiefer oder der gesamte Neo-Expressionismus sind dafür deutliche Beispiele. Heute erinnern die Schwerverbrechen an Asylanten zwangsläufig an den Beginn jener strukturierten Barbarei, die zu dem Ort führte, an dem der deutsche Wahn aus Hitlers “Mein Kampf” von der geballten Staats- und Parteigewalt gesetzmäßig verwirklicht wurde.
Und heute bedenken einige Künstler, inwieweit die jüngste Verschlimmerung des allgemeinen Klimas nicht auch Einfluß auf den Anspruch von Kunst zu nehmen habe. Also, wie soll die Kunst reagieren? Oder ist sie nicht am ehesten bei sich, wenn sie nicht den Forderungen des Tages genügt, sondern…