Ingo Arend
Der Westen und der Rest
»Gray Zones«
Galerie für zeitgenössische Kunst, Leipzig, 20. 5 – 13. 8. 2006
Gray Zones – auf den ersten Blick ruft die von Michal Kolecek kuratierte Ausstellung noch einmal diese fast schon zum Klischee geronnene Erkennungsfarbe des Ostens auf. Ein Ton grauer Einförmigkeit liegt auf vielen Arbeiten osteuropäischer Künstler, die in der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst ausgestellt sind. Auf den tristen Fotografien aus den siebziger Jahren des 1947 in Belgrad geborenen Künstler Mladen Stilinovic sieht man Schaufenster jugoslawischer Geschäfte. Neben den Parolen zum 1.Mai steht das kümmerliche Warenangebot, das die Arbeiterklasse zustande gebracht hat: ein paar armselige Schuhe neben Tito-Porträts.
Melancholie grundiert die Arbeiten des tschechischen Fotografen Jiri Kovanda. Ein junger Mann sitzt allein zu Hause, wartet auf einen Anruf. Man sieht ihn sich auf der Rolltreppe in einem Kaufhaus umdrehen: Plötzlich schauen die anderen Menschen auf der Rolltreppe ihm ins Gesicht. Mit dem plötzlichen Perspektivwechsel kann er die Einheitsperspektive der nach oben Fahrenden aufbrechen.
Die Diskrepanz zwischen sozialistischem Anspruch und dürftiger Wirklichkeit, die Behauptung des Individuums im System der Namenlosen – nur um noch einmal Motive aus dem Kanon zu wiederholen, der für die Verarbeitung und Reflektion der sozialistischen Systeme im Osten typisch gewesen ist, hätte man diese Ausstellung nicht veranstalten müssen. Wohl aber, um ein paar wichtige, hierzulande immer noch zu unbekannte Künstler der frühen Postmoderne bekannter zu machen. Aber Kolecek ging es um mehr. Seine Leitfrage, welche Position die zeitgenössische Kunst unter den totalitären Regimes in den 1970er und 1980er…