Dieter Hacker
Der Utopie die Flügel gestutzt
Über die Ausstellung ‘Vom Konstruktivismus zur Konkreten Kunst’ in der Neuen Nationalgalerie Berlin, 14.8.-16.10.1977
‘Konstrukteure einer neuen Welt!’ war in der Phase der Vorbereitung der Arbeitstitel für die Ausstellung, die dann schließlich ‘Vom Konstruktivismus zur konkreten Kunst’ benannt wurde. Der Titel ‘Konstrukteure einer neuen Welt’ vermittelt eine Ahnung von den im Ansatz gemeinsamen Intentionen der konstruktivistischen und konkreten Künstler trotz der im einzelnen unterschiedlichen Zielsetzungen und Arbeitsmethoden und er vermittelt eine Ahnung auch von der Vermessenheit dieses Selbstverständnisses, von den Höhenflügen der Künstler, die schließlich samt und sonders wieder unsanft auf dem Boden aufsetzten. Der Titel ‘Konstrukteure einer neuen Welt’ wurde verworfen – wegen seines etwas pompösen Tons. Diese Entscheidung über ein wichtiges Detail charakterisiert die Hauptschwäche dieser Ausstellung.
Historiker neigen zur Monumentalisierung der Künstlerideen – sind sie erst einmal Geschichte geworden. In der Regel setzen aber Künstler ihre Ideen, also auch ihre Kunstwerke, in einem experimentellen Akt. Sie arbeiten nicht methodisch-wissenschaftlich. Die Entwicklung gerade der Kunst dieses Jahrhunderts vollzieht sich dialektisch, in Behauptung und Gegenbehauptung und außerhalb des Kunstkontextes weitgehend unkontrolliert. Der Berg an unhaltbaren Theorien, der so von den Künstlern mitproduziert wird, paßt schwer ins kunstwissenschaftliche Verständnisschema, das nach dem Motto, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, Zacken und Kanten poliert, bis gewißermaßen aus einem wilden und schwer zugänglichen Felsmassiv ein properer Kegel, eine Kugel oder ein Würfel geworden ist.
Konstruktivismus und konkrete Kunst
Die konstruktivistische Kunst kommt dem Bedürfnis des kunsthistorisch ausgebildeten Vermittlers entgegen, eine plausible Verständnislinie zu präparieren. Konstruktivismus und konkrete Kunst…