Joseph Marioni
Der Ursprüngliche Ort der Malerei
In diesem Beitrag geht es darum, unsere Aufmerksamkeit auf die sprachliche Untersuchung der »Oberfläche« in der Malerei zu richten. Es sollen die entscheidenden Merkmale eines Gemäldes hervorgehoben werden: eine ebene Fläche aus Farbe. In Frage steht, ob die ebene Fläche ein wesentlicher Bestandteil der wahrnehmbaren Identität eines Farbbildes oder lediglich ein Überbleibsel der Bildfläche aus der darstellenden Malerei ist, also ein überkommenes Charakteristikum, auf das der Künstler nun abstrakte Metaphern zeichnet.
Ich beginne mit einer sehr einsichtigen Differenzierung: Es handelt sich hier um eine rein sprachliche Untersuchung der Malerei, d. h. wir machen diese Untersuchung eben nicht in der Begegnung mit einem Bild. Hervorgehoben wird der Unterschied zwischen der Vergegenwärtigung des Wissens über ein Gemälde und seiner unmittelbaren visuellen Erfahrung. An diesem Unterschied findet jedes kognitive Wissen über Malerei seine Grenze. Das kognitive Wissen erfaßt nicht die ursprüngliche Bedeutung von Malerei. Wenn man Sprache auf das Wesen der Malerei anwendet, konstituiert man immer eine Meta-Bedeutung, d.h. man benutzt die Bedeutungsträger der Sprache, um Behauptungen über die Bedeutung von Malerei aufzustellen.
Die Erfindung der Kamera hatte einen wesentlichen Einfluß auf die Tradition der westlichen Bild-Malerei. Sie erlaubte eine Trennung der Begriffe »Bild« und »Gemälde«. Diese Unterscheidung führte zu einer grundsätzlichen Untersuchung der Malerei selbst. Die Kamera warf die Frage nach der Phänomenologie der Malerei auf, und sie erlaubte eine wahrnehmbare Unterscheidung zwischen der geschichtlichen Information eines »gemalten Abbildes« und der sinnlichen Wahrnehmung eines »Farb-Bildes«.
Die Kamera spielte in der westlichen Zivilisation für das »Bild« die gleiche Rolle wie…