Der total surrealistische Zyklus
Welten in der Disney-Epoche
von Larissa Kikol
Im 21. Jahrhundert sind neue, surrealistische Welten geboren. Ein Rückgriff auf die Moderne sind sie aber nicht. Es existieren auch kein gemeinsamer geografischer Ursprung, kein grundlegendes Manifest und keine kollektive Vereinbarung von bestimmten Künstlern darüber. Der neue, total surrealistische Zyklus entstand aus einem direkten Einfluss unserer Zeit und das unabhängig voneinander und an verschiedenen Orten. Mit dem Einfluss sind die Gesellschaft und die mediale Bilderwelt genauso gemeint wie Walt Disney. Der aktuelle Zeitgeist forderte diese Malereisprache heraus und machte sie für viele Künstler zur logischen Notwendigkeit. Das heißt, dass der Surrealismus der Avantgarde keine einmalige Entwicklung der Moderne war, die sich nur dort ereignen konnte. Er ist nicht einmal der erste Zyklus der Kunstgeschichte gewesen. Ein vorheriges Auftauchen kann auch in einigen Werken des Symbolismus und der allegorischen Malerei ausgemacht werden, die Ende des 19. Jahrhunderts das Surreale in einer oft dunklen Mystik fanden, wie bei Arnold Böcklin (Die Pest, 1898), Ferdinand Hodler (Die Nacht, 1889 – 1890), Fernand Khnopff (Kunst, 1896) oder bei Hugo Simberg (Im Garten des Todes, 1896). Eine künstlerische, surrealistische Bildsprache ist somit nicht fest an die spezifischen Verhältnisse der Avantgarde nach dem 1. Weltkrieg gekoppelt, sondern sie stellt einen grundlegenden künstlerischen Ansatz dar, der in Wahrheit nicht zeitgebunden ist, sondern sich für konkrete Epochen in ein passendes ästhetisches und inhaltliches Dispositiv hüllt. Das Wesen jedes surrealistischen Zyklus verweist somit auf eine übergeordnete surrealistische Künstlersprache, die viel mehr zum Begriff ‚Kunst‘ und ‚Sprache‘ gehört, als speziell zur…