Heinz-Norbert Jocks
Der Tod eines Magiers im Goldrausch
Ein Nachruf auf Michael Buthe
Michael Buthe, Gefährte der Flower-Power-Bewegung, Tagebuchschreiber, Außenseiter, Ekstatiker, Quergeist und Ausnahmeerscheinung in einem, ist tot. Er, den Harald Szeemann einst in den Kreis seiner “Individuellen Mythologien” aufnahm, erlag fast fünfzigjährig einem Leberleiden: zu früh für einen so geistreichen wie großartigen Künstler, der nie aufgehört hatte, zu träumen, und vom Geist der Utopie und des Märchens beseelt war. Um so leben zu können, wie er lebte, hatte er, der bei Arnold Bode in Kassel studierte, günstige Voraussetzungen vorgefunden. Befragt nach Menschen, die ihm imponierten, erzählte Buthe stets die schöne Geschichte seines Onkels, der einen Stollen in den Berg des Großvaters gegraben hatte, darin er all die Dinge seiner Kindheit und Jugend unterbrachte. Für Buthe, dem Kunstgeschichte so gut wie nichts bedeutete, weil er darin den Verlust der Unschuld und die Gefahr der Verbildung witterte, war dies ein markantes Beispiel für die enge Verknüpfung von Kunst und Leben. Um unmittelbare Erfahrung ging es ihm, und so rettete er sich die Sehweise von Kindern als jene rare, lebensverbessernde, glücksmomentstiftende Fähigkeit, sich in den schönen Zauber uns umgebender Phänomene einzurräumen.
Wunderbar war es, ihm zuzuhören, wenn er den unverrückten Verrücktheiten seines inneren Monologs lauschte und sein Gegenüber damit verblüffte, daß er erzählte, wie er gerade von seiner Reise im Baum durch die City zurückgekehrt und wie aufschlußreich es sei, mit Bäumen zu quatschen, denen ihre Traurigkeit anzumerken sei. Derartige Vorstellungen, mit denen er wie selbstverständlich verankert war, bezeichnete der Möglichkeitsmensch auf der wackeligen Gondel…