Der Streit der Kunstgattungen im Kontext der Entwicklung neuer Medientechnologien
Von Hans Ulrich Reck
Ein antiquiert klingendes Thema, gewiß. Präzise nachfragend und vermeintlich doch weit ab von den heutigen Themen. Wen interessiert angesichts der Computerschwemme die Trennarbeit zwischen Kunstgattungen, wen die subtilen Differenzierungen zwischen Poesie und Malerei in der Epoche der intermediären und multimedialen Kunstaktionen, wen gar die Hierarchien unter den einzelnen Künsten angesichts der Tatsache, daß unsere visuelle Kultur von der Verwischung solcher Grenzziehungen bestimmt ist? Vielleicht stellt sich heraus, daß ein solches Thema der älteren Ästhetik wesentlichere Schichten des späteren Bewußtseins anspricht als dessen Selbstinterpretation. Das Ungleichzeitige dieses Themas verdient eine ernsthafte Prüfung. Denn daß die Suche nach einer neuen Ästhetik der technischen Medien mit dem Profilehrgeiz einhergeht, der technische Spezialist sei als solcher der neue ästhetische Universalist, dürfte wohl niemand bestreiten. Da mit dem Streit der Kunstgattungen historisch die gleichzeitige Begründung der freien Wissenschaft wie der autonomen Kunst, ihre ästhetische Selbstbezüglichkeit als technisches Prinzip, verbunden ist, kann der Gattungsstreit modellhaft für die Rezeption unseres künstlerischen Selbstverständnisses eingesetzt werden. Insbesondere der Einbezug technischer und technologischer Fragestellungen in die Kunstproduktion zeigt an, daß die Darlegung des Rangstreits heute nicht schon deshalb erledigt ist, weil die neuen technischen Medien wissenschaftlicher vorgehen als die alten. Die Erwartungen im technischen Feld setzen, bescheiden, bei neuen Erscheinungsbildern an und dehnen sich schnell, unbescheiden, zu einer neuen Totalsicht auf die Welt aus. Die weitestgehende Erwartung formuliert wohl die These von der orbitalen Wendung, die den planetarischen Aufbruch von der Erde, wie er vor allem durch den…