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Magazin: Briefe · S. 190
Magazin: Briefe , 1983

Offener Brief
Der Sprayer von Zürich sitzt in Lübeck in Auslieferungshaft!

Laßt den Sprayer raus, liefert ihn nicht aus

Nicht genug, daß wir in diesem unseren monokultivierten, kapitalisierten, fertigbetonierten und armierten Lande leben und kreuchen müssen können wollen, – wir sollen es auch noch wahr gut und Schön finden! Wer das nicht tut und z.B. als Künstler stattdessen deutlich öffentlich, d.h. außerhalb genehmigter Kunsträume und amtlich definierter Ästhetik sein Unbehaben in der Kultur artikuliert, seine subjektiven Mahn- und Bedeutungszeichen, seine Wut- und ‘Freud’symbole diagnostisch nützlich auf ‘privateigene’ und öffentliche Wände setzt, wer also auf die aussichtslosen Wände unserer Städte seinen Durchblick malt auf die Verhältnisse und damit ihren Fassadencharakter treffsicher entlarvt, – wer solches tut, wird als ein Sach- und Eigentumsbe-schädiger kriminalisiert und als Systemfeind eingelocht!

Einer, der den planerischen Tod in unseren Städten, diesen Architektenwüsten als Knochenmann und Skelettsymbol ins öffentliche Auge springen läßt, – einer, der das weibliche Prinzip, die Urfrau, die uns allen fehlt, das Auge Gottes, unbewußtes Triebgetier und andere Präzisionen unseres allgemeinen Zustands auf die Kapitalkulissen, Kaufhausschluchten, Tiefgaragen sprüht, einer also, der die Lebensfeindlichkeit, die eingeschlechtlich-phallokratische Struktur auf Hoch- und Tiefhauswänden für uns alle ins Bewußtsein rückt, der wird zum Feind erklärt und gleichzeitig zum Alibi für die, die hinter den Fassaden ihrem Akkumulationstrieb frönen und die den ‘Rechtsstaat’ und das sogenannte freie Wirtschaften in ihm so dringlich brauchen für ihren pathogenen Eigentumsbegriff als Mehrwertfetischismus. So zeigt sich auch bei dieser Gelegenheit wieder ganz deutlich ein immanenter Mechanismus:

Unsere Waschmitttel- und Saubermannkultur braucht dringend Anlässe, ihre Rechts- und Reinlichkeitsprinzipien…


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