Dieter Buchhart
Der Raster als expansionsfähiges und antihierarchisches System
Ein Gespräch mit Esther Stocker
Seit Jahren setzt sich Esther Stocker in ihren Gemälden mit Rastersystemen in zahlreichen Varianten auseinander. In Grisaille gehalten ist ihre visuelle Grammatik von minimalen Mitteln und präziser Formensprache getragen. Dabei sind Stockers Raster fragil und werden durch das Aufreißen, das Löschen und oder das Verschieben von Linien aufgebrochen. Mittels minutiöser Eingriffe stellt die Künstlerin das gesamte starre System in Frage, denn die Festigkeit weicht der Fragilität und die Beständigkeit der Flüchtigkeit. Stockers Interesse liegt im Formalen und ihre Arbeiten sind von ihrer Faszination von Ordnungssystemen und der “Vagheit exakter Formen” bestimmt. Mit ihrer Expansion in den dreidimensionalen Raum schafft sie für die BetrachterInnen betretbare Strukturen, die von Rastersystemen mit minutiösen Abweichungen bis hin zu nur mehr bruchstückhaft angerissenen Gebilden reichen. Stockers Systemanalysen sind präzise und aufgrund der Aktualität und Bedeutung von Raster für unser alltägliches Leben ein wichtiger Beitrag zur zeitgenössischen Kunst.
Dieter Buchhart: Die Grundstruktur deiner Werke bilden Rastersysteme in zahlreichen Varianten. Was interessierte dich an der malerischen Auseinandersetzung mit Rastersystemen, lange nach dem Konstruktivismus, dem Bauhaus, der Art concret, der Op Art bis hin zur Hard Edge Malerei?
Esther Stocker: Das Raster hat mich immer interessiert, weil es ein expansionsfähiges System ist. Das heißt, man muss nicht die Frage nach dem Zentrum klären, da sich die Struktur einfach ausbreitet. Es handelt sich um eine Form, die sich nicht primär als geschlossenes, sondern eher als offenes System eignet. So gibt es gleichwertige Teile und eine gleichwertige Aufteilung. Ein Raster…