Der Ort, der Raum und das Soziale
Glaubt man bestimmten TheoretikerInnen der Neuen Medien, hat der Raum immer weniger Bedeutung, da sich alles zunehmend in medialen Zusammenhängen gestaltet und räumliche Distanzen leicht überbrückbar scheinen. Solche TheoretikerInnen mag die Tatsache verwundern, dass in der Kunst der 1990er Jahre Fragen nach dem Raum der künstlerischen Institution eine immer bedeutendere Rolle gespielt haben; insbesondere, dass Räume jenseits ihrer physischen Gestalt überhaupt erst durch ihren sozialen Gebrauch produziert werden, muss jedoch keineswegs im Gegensatz zu medialen Theorien stehen. Im Gegenteil, auch Netzwerke, Websites und theoretische Diskurse werden je nach ihren kommunikativen Prozessen als soziale Räume betrachtet.
Nun liegt eine Untersuchung vor, die anhand der vier künstlerischen Fallbeispiele Andrea Fraser, Martha Rosler, Rikrit Tiravanija, Renée Green die Theorien, Verfahrensweisen und institutionellen Bedingungen seit den 1970er Jahren systematisch und leicht zugänglich in einen kunsthistorischen Zusammenhang stellt. Die Kunsthistorikerin Nina Möntmann nimmt in ihrem Buch “Kunst als sozialer Raum” den Begriff des Orts als Ausgangspunkt für eine im deutschsprachigen Raum längst überfällige Revision. Vor allem unter Bezug auf den französischen Philosophen Henri Lefébvre und sein legendäres Buch “Die Produktion des Raumes” gelingt Möntmann eine dicht gewebte, lineare Historie von den Untersuchungen des White cube als ideologischer Bestandteil der “Institution Kunst” (Peter Bürger) in der Minimal art, oder bei Daniel Buren, Michael Asher und Hans Haacke, bis zu den genannten KünstlerInnen in den 90er Jahren. Obwohl sich eine solche Genealogie fast aufdrängt, werden die Unterschiede hinsichtlich der Raumauffassungen (S. 72) oder der sozialen Handlungen von Möntmann dermaßen systematisiert und in…