Matthew Barney
Der Körper als Instrument
Ein Gespräch von Christoph Doswald
Der 29jährige US-Amerikaner Matthew Barney ist ein Senkrechtstarter. Kaum hatte der Künstler sein Studium an der renommierten Yale University beendet, wurden seine Werke auch schon in wichtigen Gruppenausstellungen gezeigt. Unter anderem nahm er 1992 an der Documenta IX und an der thematischen Körper-Schau “Post Human” teil. Ein Jahr später wurde er zum Aperto 93 und an die Whitney Biennale in New York eingeladen. Seine Skulpturen und Videos sind geprägt von hybriden, mythischen Gestalten und einer assoziativen Erzählstruktur, die sich oszillierend an den symbolhaften Figuren der Football-Legende Jim Otto und den Entfesslungskünstler Houdini entwickelt. Beide Barney-Protagonisten werden von der Rezeption als Metaphern für die aktuelle Verkörperlichung der westlichen Gesellschaft gelesen, als Diskurs über Sport und Medizin; eine Interpretation, die sich ob des Künstlers Biographie – vor der Kunst-Karriere studierte er Medizin, hatte sich dem Sport verschrieben und arbeitete als Dressman – als offensichtliche Interpretation anbietet. Doch Barneys vielfach verschlüsseltes Werk operiert nicht nur mit diesen biographischen Kennziffern und dem allzu leichtfertig ausgesprochenen Bezug zu einer Gesellschaft, welche Schönheit und Körperlichkeit in bislang ungekanntem Maß stilisiert. Hinzu kommt ein dicht gewobenes Netz von kunstgeschichtlichen Anspielungen – Joseph Beuys, Bruce Nauman, Chris Burden, Schwarzkogler -, die der Künstler aktualisiert, ohne sie aber in einer kritischen Kommentierung einfließen zu lassen. Und: Barney, das wird im folgenden Gespräch deutlich, versteht sich auch als Erzähler des Schöpfungskultes im doppelten Sinn: Seine Werke sind gleichsam Reminiszenzen an die menschliche Zeugung und die Geschlechterdifferenzierung wie an das auratische Kunstverständnis.
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Ch….