Der Hang zum Gesamtkunstwerk
von Ingrid Rein
Städtische Kunsthalle und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf 27. Mai bis 10. Juli 1983
Museum moderner Kunst, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien, 10. September bis 13. November 1983
1961 erhob Piero Manzoni im Park von Herning die Welt auf den Sockell. 160 Jahre davor spekulierte Friedrich Schlegel über die Welt, als “ewig sich selbst bildendes Kunstwerk”‘2. Fast gleichzeitig erkennt Schelling als Conclusio seines Identitätssystems die Wirklichkeit als das gesamteste aller möglichen Gesamt-Kunstwerke und umgekehrt. “Das umfassendste Kunstwerk ist natürlich die Welt”‘3‘ sagt Joseph Beuys, beläßt es aber nicht bei der Theorie. Während Schlegel im 116. Athenaeumsfragment nur fordert, eine alle Gattungen vereinende, “progressive”, also nie vollendete “Universalpoesie” solle “das Leben und die Gesellschaft poetisch machen”, versucht Beuys im Rahmen eines gleichfalls um Natur und Technik erweiterten Kunst- und Wissenschaftsbegriffs eine tatsächliche Änderung herbeizuführen, “das Gesamtkunstwerk einer zukünftigen Gesellschaft”. Selbst Richard Wagner, der in der Züricher Emigration, wie inzwischen oft genug zu hören war, die magische Formel Gesamtkunstwerk für sein alle Künste verschmelzendes Musikdrama prägte, sah eine vollkommene Synthese erst in einem vom “Geist der freien Menschheit” getragenen “Kunstwerk der Zukunft”4 verwirklicht.
Sowohl die Frühromantiker wie Wagner schöpften ihren utopischen Elan aus den Hoffnungswogen einer Revolution, der französischen von 1789 bzw. des demokratischen Maiaufstands in Dresden 1848: Schlegel erwartete sich auf der Basis republikanischer Freiheit eine Wiedervereinigung von Subjektivität und Objektivität, von Kunst und Natur, Kunst und Wissenschaft, Philosophie und Religion. Wagner schwärmte von einem “nie geahnten Paradies des Glücks”, von einem durch die Kunst schönen,…