Sabine Schütz
…der Form halber
Westfälischer Kunstverein, Münster,
8. 8. -27.8.1987
Weil es anstrengend ist, ständig zu stehen, hat der Mensch den Stuhl erfunden; und damit er auch im Sitzen essen und arbeiten kann, gibt es Tische. Tische, Stühle, Schränke – unter »Möbeln« versteht man funktionale Einrichtungsgegenstände, die nach den Bedürfnissen und Körpermaßen ihrer Benutzer angefertigt sind, um diesen den Alltag zu erleichtern. Jedenfalls war das einmal so, bevor das neue Avantgarde-Design – kräftig unterstützt von den manchmal etwas schrägen Theorien postmoderner Kolumnisten – unseren an Bauhaus-Imitationen, Ikea und Dansk- Design gewöhnten Geschmack mit seinen schrägen Phantasien in Plastik und Pink beglückte. Sicherlich: Immer schon war das Mobiliar ein bevorzugtes Objekt für die Lust des Menschen am ornamentalen Gestalten – oder warum sonst sollte ein Sessel auf Löwentatzen stehen? Und seit eh und je auch gehört die Einrichtung zu den beliebtesten Prestigeobjekten. Daß aber ein Stuhl sich plötzlich selbständig macht, seine Aufgaben vernachlässigt und nur noch so tut, als sei er ein Stuhl – dies ist eine relativ junge Erscheinung in der Welt des Wohnens. Vorbei die Zeiten, als Möbel ausschließlich nach der Devise »form follows function« »funktionierten«.
»Bitte nicht berühren« stand überall geschrieben, und bloß nicht Platz nehmen auf dem der New Yorker Skyline bei Sonnenaufgang nachempfundenen Sofa oder auf dem runden Küchenstuhl mit kugeligen Armlehnen, dem sein Erfinder MICHELE DE LUCCHI den Namen »First« gegeben hat. Diese Möbel sind nämlich Kunst, »der Formen halber« ausgestellt im Münsteraner Kunstverein. »So erscheint vieles, was im Bereich der Möbelgestaltung entsteht, als reine Skulptur, genauso…