Ulf Poschardt
Der Filmemacher, der Künstler und der Schriftsteller
Abseits der Identitätsfalle: Godard, Warhol und Goetz
1.) Verfilzte Wirklichkeit: Jean-Luc Godard: Die Literatur, die Kunst und das Kino
Filme, das sind Bilder und Töne. Nach gut zwanzig Jahren Auseinandersetzung mit dem Film kam Godard 1968 zu dieser Definition. Hinter ihm lagen Lehrjahre als Cinephiler, Studienjahre als Filmkritiker und schließlich knapp fünfzehn Jahre als Regisseur von eigenwilligen Kunstwerken, deren Intelligenz nur durch ihren Charme und Unterhaltungswert übertroffen wurden. Mit Godard hatte das Kino der “Nouvelle Vague” den intellektuellen Führer und seinen großen Stil-Spezialisten bekommen. Seine Filme waren poetische Einblicke in die Welt eines Menschen, der fast vollständig in der Welt der Bücher, Platten, Bilder und Filme lebte. Jeder Film war ein Universum von Verweisen, Zitaten, Anspielungen, Referenzen, Ehrerbietungen und Liebeserklärungen. Da der Film aus Bildern und Tönen bestand, konnten alle vorherigen Medien der Kunstgeschichte im Kino aufgehoben werden. Vom Theater bis zur Kunst, von der Literatur bis zur Philosophie. Das perfekte Medium für einen Kulturjunkie.
Godard begann als Literatursüchtiger. Seine ersten Filmkritiken lesen sich streckenweise wie Besinnungsaufsätze eines Oberschülers. Der damals 19jährige Filmliebhaber verglich Meisterwerke des Kinos am liebsten mit Meisterwerken aus der heimischen Bibliothek. So erinnerten die Filme von Mankiewicz an die Literatur Moravias. In einem Film von Roger Livet wehte Godard “das Parfüm der mittelmäßigsten aller Literaturen entgegen (der von Sartre)”1, wohingegen Elia Kazans “Pinky” und “Panic in the Streets” “nicht wie Romane, sondern wie Erzählungen geschrieben”2 waren. Godards erste Liebe galt der Literatur, und so schwankte er auch noch 1950, ob er…