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Essay · von Jürgen Raap · S. 416 - 418
Essay , 2013

Jürgen Raap
Der Fall Gurlitt

Kunsthandelspraktiken in der NS-Zeit

Zwickau war eine Hochburg der Nazis: hier gründete die NSDAP 1921 ihren ersten Ortsverband außerhalb Bayerns. Bei den Reichstagswahlen 1930 wurde sie mit 23,8 Prozent Stimmenanteil zweitstärkste Partei hinter der SPD (28,3 Prozent). Dem Direktor des städtischen König-Albert-Museums Dr. Hildebrand Gurlitt (1895-1956) schlug wegen seines Engagements für die Moderne in der sächsischen Lokalpresse bereits 1926 ein eisiger Wind entgegen. 1930 wurde er in Zwickau entlassen, und 1933 noch ein weiteres Mal als Leiter des Hamburger Kunstvereins, „on account of my Anti-Nazi-feelings“, wie Gurlitt 1945 den Alliierten zu Protokoll gab.1

Als am 1. November 1933 die Reichskammer der bildenden Künste ihren Betrieb aufnahm, war die „Gleichschaltung“ des gesamten kulturellen Lebens in Deutschland durch den NS-Apparat weitgehend abgeschlossen. Wer nicht Mitglied in einer der Unterabteilungen dieser Kammer war, z.B. im Bund Deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler e.V., hatte faktisch Berufsverbot. In Berlin z.B. lebten damals rund 800 Kunsthändler. 312 von ihnen wurde aus „rassischen Gründen“ die Mitgliedschaft in der Reichskunstkammer verwehrt. Der Galerist Alfred Flechtheim „diente den Nationalsozialisten schon lange vor 1933 als Prototyp ihres antisemitischen Feindbildes“.2 Ihn traf sofort nach dem Machtwechsel der Judenhass der Nazis mit voller Wucht, denn Flechtheim musste bereits im März 1933 seine Düsseldorfer Filiale notgedrungen an seinen Geschäftsführer abtreten, den SA-Mann Axel Völmel. Alfred Flechtheim floh wenige Wochen später ins Ausland.

Hildebrand Gurlitt hingegen gelang es, trotz des Makels seiner Entlassungen und obwohl er mit einer jüdischen Großmutter nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Mischling zweiten Grades“ galt, sich im Dritten Reich…


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