Ulf Poschardt
»Der Erfolg der DJ-Culture hilft, den Widerstand gegen das herrschende System zu popularisieren«
Über die Erste Avantgarde im Kontext der Popmusik
Gespräch von Tom Kummer
Tom Kummer: Was ist passiert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?
Ulf Poschardt: Jede Menge Spaß. Millionen Jugendlicher finden mittlerweile, daß auf Dauer zwei Plattenspieler und ein Mischpult aufregender sind als fünf Gitarrensaiten.
Warum habe ich bloß die Vermassung des Tanzuntergrunds in den letzten fünf Jahren nicht als großen Spaß empfunden?
Keine Ahnung. Du hörst vielleicht nicht mehr richtig hin, sitzt am falschen Platz, weiß der Teufel, was mit dir los ist. Vielleicht bist du aber, wie viele Intellektuelle, einfach unfähig, die Vermassung des Tanzuntergrunds als eine Qualität zu begreifen – dabei wird sich jetzt gut und schlecht um so besser trennen.
Das »Ich« des DJs
Vielleicht sollte ich mir zwei Technics-Plattenspieler aus der 1200er-Serie und eine alte Roland-303-Drummaschine anschaffen. Viel mehr interessiert mich jetzt aber deine Theorie, wonach der DJ den herkömmlichen Künstlerbegriff in Frage stellt, so wie in diesem Jahrhundert schon Duchamp oder Warhol den klassischen Künstlergenius verhöhnt haben.
Korrekt. Der DJ befindet sich genau in derselben Ambivalenz von Zerstörung und Wahrung der Künstleridee. Die DJ-Culture hat die Funktion des Autors dekonstruiert. Der DJ ist ein Künstler zweiten Grades und darum so wichtig. Er ist per Definition Eklektiker und Musik-Musiker. So wie sich der Filmemacher Jean-Luc Godard als Organisator von Bildern und Tönen bezeichnet, so erscheint der DJ in der Musikszene, um den archaischen Gedanken der Schöpfung und idealistischen Ästhetik zu hinterfragen. Die DJ-Culture soll somit…