Der Elefant im Raum
Kommentar zu Anne Imhofs Ausstellung im Palais de Tokyo
von Larissa Kikol
Es wäre fast zu schön gewesen. Eine 1+ auf ganzer Linie. Obwohl Anne Imhof so viel richtig gemacht hat, übersah sie doch den, eigens von ihr mitgebrachten, Elefanten im Museumsraum. Um die Problematik zu verstehen, muss man vor Ort gewesen sein, muss die Wirkung der größten und dominantesten Installation wahrgenommen haben. Das gläserne Labyrinth führt zu einzelnen Stationen, an denen große Tafelbilder hängen, Säulen mit schweren, schwarzen Matten umwickelt oder Musikinstrumente aufgebaut wurden. Die Atmosphäre ist einzigartig. Imhof ist eine ästhetische Meisterin: die freigelegten Blickachsen der rauen Untergrund-Architektur, die Lichtverhältnisse zwischen getönten, semitransparenten und farblich überlagerten Bereichen, die Ruhe, die strenge Ordnung und darin das Wilde, Nackte und Authentische. Letzteres ist das, was in diesem Labyrinth dominiert und die größte Wirkung entfacht: die Graffitis. Genauer gesagt die Tags, aber besonders die vielzähligen Throw-Ups. Das ist eine bestimmte Art des Graffitis, in der ein Name durch eine Kontur und eine Innenfarbe schnell gemalt wird. Die Glaswände des Labyrinths stammen aus Italien, und waren bereits mit sehr vielen großformatigen Throw-Ups besprüht. Imhof entschied sich genau diese bemalten Elemente in ihrer Installation in den Fokus zu setzen. An prominenten Blickachsen, wie in den ersten Reihen aus der Vorderansicht, an Hauptwegen der Besucher, vor wichtigen, anderen Kunstwerken wie vor einem Gemälde von Joan Mitchell oder an bereits eingerichteten Performanceorten thronen die Throw-Ups. Da diese sehr gestisch ausgemalt wurden, erkennt man an der Vorder- und der gläsernen Rückseite die expressive Linienführung,…