Der diskrete Charme der Heterotopie
Judith Hopf reflektiert Automatismen und Architekturen als systemische Filter
von Kirsten Claudia VOIGT
Berlin in den 1990er Jahren. Aufbruch. „The place to be“ für junge Künstler*innen aus aller Welt. Immobilienleerstände, Freiflächen für Ideen, für die Entwicklung von Gegenkulturen, neuen Kunst- und Lebens formen innerhalb eines neuen Staates, zwischen den „Blöcken“, denen der Häuser und denen in Ost und West. Judith Hopf erinnert sich: „Die Gebäude sahen oft ruinös aus und wurden nun, zumeist ohne große Budgets, aber dafür mit umso größerem Ehrgeiz inhaltlich und kulturell neu ‚besetzt‘. Im besten Fall geschah das für mein Empfinden im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs, der sich seiner politischen Bedingungen bewusst war und sich nicht ausschließlich auf das Design der Moderne oder des White Cube verlassen konnte. Im schlechtesten Falle triggerten diese Orte die Gentrifizierung zuerst von Berlin-Mitte, später auch von den anderen Stadtteilen.“1
Grenzen aller Art wurden aufgehoben: Die Künste mischten sich und mischten mit, um alternative Stadt- und Gesellschaftsbilder zu entwerfen und sich an ihrer Verwirklichung zu beteiligen. Das Ende des „Kalten Krieges“, die gewonnenen Freiheiten eröffneten Gestaltungsspielräume. Kunstorte für die performative Off-Szene, illegale Bars und Techno-Clubs entstanden. Ausstellungen nahmen Platz in aufgelassenen Gebäuden. Künstler*innen erkundeten das Terrain entlang des einstigen „Todesstreifens“, das Botschaftsviertel, Ost-Berlin. Hito Steyerl hat die Stimmung rund um die Reste der Mauer damals, die Konflikte um Die leere Mitte, auf der Freigeister mit einer satten Portion Hoffnung im Rucksack kampierten, die Ängste und Aggressionen der Bauarbeiter, in ihrem gleichnamigen Film kongenial dokumentiert – der soziale Frieden stand von…