Conradin Wolf
Den Kunstfreund das Fürchten lehren
ÜBER HENRY MEYER
In der Romandie, im französischsprechenden Teil der Schweiz, ist Henry Meyer (*1952) kein Unbekannter mehr. Er hat sich einen Namen gemacht mit bissigen, witzigen Illustrationen für Zeitungen und Zeitschriften. Mit seinen Skulpturen inszeniert der kultivierte “Spinner” Meyer ein wahrhaft schaudererregendes Gruselkabinett.
Henry Meyer ist Maler, Plastiker, Illustrator, Satiriker, Poet, Paraphysiker, aber auch passionierter Biertrinker und Exot im eigenen Lande. Der surrealen Erfindungsgabe des Lausanners scheinen keine Grenzen gesetzt. Obwohl er für Zeitschriften arbeitet, nimmt Meyer besonders gern die Massenmedien auf die Schippe. In einem “Paysage audiovisuel” sind die Straßen durch Fotofilmstreifen ersetzt, anstelle der Autos sind Filmkameras in Massenkarambolagen verwickelt, und mitten in der Landschaft sitzt eine Schnecke vor einem überdimensionalen Fernsehschirm. Henry Meyers Illustrationen sind in einer eher traditionellen Manier minutiös ausgearbeitet. Sind die Zeichnungen mit den verfremdeten Themen aus dem Alltagsleben noch vergleichsweise leicht verständlich, so fällt es dem Betrachter schwerer, dem Künstler in die Wahnwelten seiner Malerei und Plastik zu folgen. Der Lausanner malt seine Lemuren, Kobolde und Alptraumkreaturen in zurückhaltenden Brauntönen direkt aufs Packpapier. Was dabei entsteht, ist ein fleischliches Inferno in erstaunlich perfekter Bildharmonie. Qualitativ unterschiedlicher präsentieren sich dagegen die grell bemalten Skulpturen aus Gips und Pappmaché. Neben ein feingliedriges Liebespaar kommen etwas unbeholfen zusammengeklisterte Dämonenfiguren zu stehen, und oft entschwindet die plastische Form beinahe unter der bunten Bemalung. Jedenfalls aber lehren Henry Meyers Skulpturen den Kunstfreund das Fürchten. Brandstifter, Feuerspeier, Teufelsbeschwörer und Akrobaten, die auf einem Stierkopf tanzen, bevölkern das Gruselkabinett des Waadtländers. Bisweilen erinnern Meyers Bilder…