Dirk Schwarze
Dem Herkules zu Füßen
»Kassel 35«, Kunstverein, 7.9.-22.10.1989
An der Aura der documenta orientiert sich die Szene; der Markt an Künstlern aus dem übrigen In- und Ausland. Künstler, die hier arbeiten, müssen sich draußen bewähren; die Auftragslage für Ortsansässige ist schlecht. So sehe ich nur die Möglichkeit, als Lokalkünstler zu versauern oder sich besser von Kassel wegzuorientieren.” Die beredte Klage eines Künstlers, eingefangen und dokumentiert von Doris Krininger in einer vom städtischen Kulturamt in Auftrag gegebenen Studie “Zur Situation der Künstlerinnen und Künstler aus Kassel und der Region”.
Mit dem Hinweis auf den Propheten, der im eigenen Lande nichts gilt, läßt sich die Klage nicht beiseiteschieben. Die Situation in Kassel ist widersprüchlicher und schwieriger als anderswo: Die documenta lockt zwar alle fünf Jahre die Kunstfreunde nach Kassel, doch der Trubel geht meist über die örtliche Künstlerschaft hinweg und scheint sie noch stärker zu deklassieren. Andererseits gibt es in der Kasseler Region weder eine (wirtschaftliche) Basis für einen ernsthaften Galerienbetrieb noch einen nennenswerten Markt. Die paar potenten Sammler und Käufer sind an den zehn Fingern abzuzählen; und viele von ihnen sind sowieso auf die documenta und ihr Umfeld fixiert.
Das Fehlen eines funktionierenden Kunstmarktes hätte sicherlich wettgemacht werden können, wenn der aus der früheren Werkakademie und der Hochschule für bildende Künste hervorgegangene Kunsthochschulbereich der Gesamthochschule Kassel anregend in die örtliche Kunstszene hineinwirken würde. Aber da mangelte es lange Zeit an Selbstbewußtsein oder an Interesse der Stadt. Zwar fanden hier Künstler zu relativ günstigen Preisen Atelierräume, doch die geeigneten Ausstellungsräume für größere Projekte oder…