Claudia Reiche
De(information) – zur Politik der fiktiven Figuren in fiktiven Zeiten
Der folgende Text ‚(De)information – zur Politik der fiktiven Figuren in fiktiven Zeiten’ wurde am 13.3.2004 auf dem Kongress „Virtual Minds, Congress of Fictitious Figures“1 vorgetragen, veranstaltet vom thealit Frauen.Kultur.Labor Bremen. Die hier abgedruckte deutsche Überarbeitung kann unter gewandelten Umständen und Kontext erneut Aktualität beanspruchen. Was vor mehr als sechs Jahren von Michael Moore in seiner Oscar Acceptance Speech mit einem erfundenen Wort als „fictition“ verurteilt wurde, beispielsweise die Behauptung der Bush Regierung, es gäbe Massenvernichtungswaffen im Irak, ist inzwischen als ‚Information Warfare’ allgemein verstanden worden, die die Grenze zwischen Freund und Feind weder an den Staats- noch an den Gesinnungsgrenzen zog, sondern den amerikanischen Kongress, ja die Weltöffentlichkeit schlicht desinformierte.
Was nun heute ‚fictition’ heißen müsste, in diesem Kunstgriff eines Begriffs, der geschickt sowohl die Fälschung als auch die Grenze zwischen Fakten und Fiktionen zu bezeichnen hat, wäre wohl in dem „Change“ zu finden, den der derzeitige US-Präsident Barack Obama versprochen hat.2 Michael Moores kritische Gratulation zu dessen Friedensnobelpreis 2009 zielt auf einen noch ‚fiktiven’ Gehalt, auf eine nicht realisierte Friedensmission Barack Obamas ab: Er erinnert daran, dass die USA weiterhin zwei Kriege führen und hier noch kein „Change“ stattgefunden habe,3 schließend in seinem offenen Brief an den Präsidenten: „You have to end our involvement in Afghanistan now. If you don’t, you’ll have no choice but to return the prize to Oslo“.4 Doch wann ist ‚now’? In diesem Sinne immer schon zu spät. Die Frage ist allerdings, ob nicht…