Rainer Unruh
David Schnell – Stunde
Kunstverein Hannover, 10.4. – 30.5.2010
Es ist eine von diesen Fragen, die sich Kinder, Science-Fiction-Autoren und Künstler stellen: Wie sähe die Welt aus, wenn die Schwerkraft die Dinge nicht länger zu Boden drückte und diese sich, von ihrer Last befreit, einen neuen Platz im Raum suchten? Manche Bilder von David Schnell sehen wie Variationen zu dieser Vorstellung aus: Da schwebt ein aus bunten Balken montiertes Architekturfragment wie ein Luftballon im hellen Blau eines Frühlingshimmels („Glockenspiel“, 2007) und Baumstämme, nicht länger durch Wurzeln an den Waldboden gefesselt, schießen raketengleich mit ungeheurer Wucht in alle Richtungen davon („Moment“, 2010).
David Schnell (Jahrgang 1971) malt Landschaften, die nicht verhehlen, dass sie Konstruktionen sind. Dünne schwarze Linien ziehen sich durch viele Gemälde, ein zartes Raster, das einerseits an den die Dinge ordnenden Blick des Malers gemahnt, das allerdings andererseits in den jüngsten Arbeiten wenig Chancen hat, seine Ordnungsfunktion gegenüber den wild wuchernden Farbwolken zu behaupten („Depot“, 2008). An die Stelle der Zentralperspektive, in früheren Werken wie „Rinne“ (2004) rigides Kompositionsschema, ist in den Bildern aus den vergangenen fünf Jahren, die im Mittelpunkt der Ausstellung in Hannover stehen, ein eher spielerischer Umgang mit der Geometrie getreten. In den Darstellungen menschenleerer Landschaften gibt es jetzt verschiedene Fluchtpunkte, und auch das Licht, das die auseinander strebenden Elemente erhellt, wirft seine Schatten nicht nach der Logik der optischen Theorie, sondern nach den Bedürfnissen des Malers, der schon mal aus kompositorischen Gründen dort eine helle Fläche malt, wo ein Dunkel zu erwarten wäre.
Bei aller Modernität…