Noemi Smolik
David Reed
Galerie Ricke, Köln, 26.4. – 1.6.1991
Abstrakte Malerei, wie sie die Moderne dieses Jahrhunderts hervorgebracht hatte, ging mit einem Glauben an die Stärke der einzelnen Persönlichkeit, mit einem übersteigerten Individualismus einher. Nichts sollte den kreativen Prozeß des Künstlers einengen; keine räumliche Konstruktion, keine formale und farbige Abhängigkeit von der uns umgebenden Welt sollte seine – wie man glaubte – grenzenlose schöpferische Kraft einschränken. Den Maler hielt man für einen Genius, der aus sich heraus eine neue Welt schaffte, die unzertrennlich mit seiner Persönlichkeit verbunden sei. Daher die Bedeutung der malerischen Geste des Malers, die in Form eines Pinselstrichs, einer Kritzelei oder eines Kleckses die einmalige Persönlichkeit des Malers bezeugte. Sie war die direkte Spur der kreativen Befreiungsversuche des Malers, der nach einem absoluten, außerhalb von Zeit und Raum befindlichen Zustand strebte. Ihn zu erreichen galt dem Amerikaner Jackson Pollock – dem radikalsten Vertreter einer expressiven Abstraktion – und seinen zahlreichen Nachfolgern als das höchste Gut. Kein Wunder daher, daß den so entstandenen Bildern eine zeitlose Starre anhaftet.
Und genau in diesem Augenblick der Erstarrung der malerischen Geste auf der Leinwand setzt der amerikanische, 1946 in San Diego geborene, jetzt in New York lebende Maler David Reed an. Seine ebenfalls abstrakten Bilder sind von der Kölner Galerie Ricke jetzt zum erstenmal in Deutschland gezeigt worden. Er erlöst sozusagen den Strich aus der modernen Erstarrung und läßt ihn sich frei und in der Zeit auf der Fläche seiner Bilder entwickeln. Seine Striche, die er mit breitem Pinsel oder durch ausladende Bewegungen…