Martin Blättner
Das Wort-Bild in Dada und Surrealismus
Schirn Kunsthalle, 3.3. – 15.5.1990
Man meint es ja längst zu kennen: das simple trompe-l’oil, das nur das Bild einer Pfeife ist – René Magritte hatte es (1928-29) mit der etwas oberlehrerhaft gemalten Unterzeile “Ceci n’est pas une pipe” selbst zu einem Trugbild erklärt. Mit dem ebenso berühmt gewordenen und nicht minder lehrreichen Essay “Dies ist keine Pfeife” (1973) griff der Philosoph Michel Foucault das visuelle Identitätsproblem noch einmal auf – alle Unklarheiten haben seine Interpreten wohl noch immer nicht restlos beseitigt. Das vertrackte Wort-Bild-Paradoxon fordert den hintersinnigen Denker geradezu heraus – immer wieder wird er in die unausweichliche Falle eines ironischen “Bilderverrats” tappen. Die surrealistische Strategie von Magritte zielt denn auch weniger auf den Schock der reinen Bildsuggestion als auf eine (allgemeine) Verunsicherung der Wirklichkeit durch die gleichzeitige Präsenz literarischer Sprachgespenster ab. Mit dieser subtilen Methode eines reflektierten Wahrnehmungsprozesses hat der belgische Surrealist freilich den ursprünglich so revolutionären Impetus der französischen Rebellen um Breton wieder aufgefangen und – intellektuell geläutert – in weniger aggressive Höhen geschraubt. Die Revolte der “anti”-künstlerischen Bewegungen von Dada und Surrealismus – die ihre Wurzeln in der Empörung über den Ersten Weltkrieg haben – schien wohl spätestens mit den letzten Wogen der Wort-Bilder gezähmt. Der Surrealismus erwies sich noch anfälliger für die Vermarktung als der eher widerborstige Dada. Nachdem die Kunsthalle Schirn/Frankfurt zuletzt (bis 28. Februar 1990) die “authentisch revolutionäre Praxis” der surrealistischen Bewegung aus der Sicht von Arturo Schwarz in den Vordergrund gerückt hatte, treten mit der aus…