Das Verschwinden der Hüte
von Walter Grasskamp
Zum Gruß. Wer in einem der zahlreich gewordenen Bildbände blättert, die über die fünfziger Jahre der Bundesrepublik erschienen sind, faßt sich an den Kopf. Da, wo heute der Griff ins Leere geht, saß damals der Hut und zwar, wie die Fotografien belegen, ganz selbstverständlich. Wie die Azteken die ersten spanischen Reiter und ihre Pferde für ein und dasselbe Tier hielten, hätten sie die Männer der 50er Jahre und ihre Hüte für ein und dieselbe Person halten müssen, die allenfalls durch eine bemerkenswerte Operation zu trennen war, welche dem Hut aber erst recht Bedeutung verlieh, die des schwungvollen Grüßens.
Diese differenzierte Kulturtechnik erschöpfte sich nicht allein in der verbindlichen Geste, vielmehr begann ihr Bewegungsablauf bereits mit dem Erkennen eines Bekannten in einem Blick, in dessen Dauer auch gleich die Entscheidung fallen mußte, ob und wie tief der Hut zu ziehen war. Handelte es sich um einen weniger angenehmen Gesellen, der gar nicht erst ins Gespräch gezogen werden sollte, tippte man leicht an die Krempe, war es ein Arbeitskollege, wurde nur leicht gelüftet, um nicht die ganze Wärme entweichen zu lassen, war es aber der Chef, so half alles nichts, der Filz mußte runter und zwar bis zu jenem genau definierbaren, aber kaum zu markierenden Anschlag knapp oberhalb der Grenze, ab der man die Geste für Betteln hätte halten können. Dies war nicht nur eine Probe der kulturellen Feinmotorik, sondern auch ein Gesellschaftsspiel, das persönlichen Eigenheiten durchaus Raum ließ. So berichtet Eckhard Siepmann über die Spaziergänge mit seinem…