Gertrud Lehnert
Das vergängliche Kleid
1824 lässt der italienische Romantiker Giacomo Leopardi in einer satirischen Modeschelte Mode und Tod in einen Dialog treten:
„Mode: Ich bin die Mode, deine Schwester.
Tod: Meine Schwester?
Mode: Ja. Weißt du denn nicht, dass wir beide Kinder der Vergänglichkeit sind?
Tod: Wie sollte ich mich entsinnen, da ich ein Erzfeind des Gedächtnisses bin?
Mode: Aber ich entsinne mich noch gut und ich weiß, dass uns beiden der Sinn danach steht, die Dinge hienieden unablässig zu verwandeln und aufzulösen.“1
Weiter erklärt Frau Mode dem (im Italienischen weiblichen) Tod, dass sie ihm getreulich zuarbeite, weil sie dafür sorge, dass die Menschen sich schaden. Denn sie folgen blindlings der Mode, ohne darauf zu achten, was sie ihrer Gesundheit damit antun. Zu enge Schnürung, zu dünne Kleidung, zu wenig körperliche Bewegung führten, so meint sie, innerhalb kürzester Zeit zu Siechtum und einem frühen Tode. Ja selbst die Seele leide Schaden, denn kein Mensch hege mehr Ideen von Moral, Würde oder gar Unsterblichkeit. Alle seien nur darauf erpicht, so modisch wie möglich zu sein. Mit anderen Worten: In einer modebesessenen Kultur gehen alle Werte moralischer wie ästhetischer Art verloren, sie werden erst betäubt und schließlich ersetzt durch die rasende Geschwindigkeit, mit der die Mode sich voranbewegt und die für alle, die ihr folgen, zum puren Selbstzweck wird.
Allerdings, so behauptet Frau Mode, sie selbst sei unsterblich. Und in der Tat: Genau darin beruht ja ihre Macht. Die Mode ist ein unsterbliches Prinzip, das Vergänglichkeit produziert.
Der fast 200 Jahre alte kleine Text spielt Ideen durch, die zentral für…