Barbara Vinken
Das untragbare Kleid
Mit untragbaren Kleidern ist das so eine Sache. Einfach untragbar ist das auberginefarbene Kostüm, das in der letzten Saison der Dernier Cri war und jetzt nur noch passé ist. Einfach untragbar, mag sich so manche Einkäuferin im Stillen denken, während sie eine theatralische Modenschau von John Galliano, Vivienne Westwood oder Hussein Chalayan ansieht. Statt des Rosenkleides von Viktor & Rolf, dessen Üppigkeit noch die Schwelgereien des New Looks mager aussehen lässt, wählt sie dann doch lieber für Bergdorf & Goodman das klassisch Untertourige, eben das Tragbare.
Das Untragbare ist ein Verdikt, das eine Norm setzt: die des in oder out; die des Angemessenen und des Dekorum; die des Ästhetischen und auch Passenden. Die Normen und die Verdikte sind, so konstitutiv sie für Mode sein mögen, in ihr selbst immer schon umspielt und verschoben, herausgefordert oder lächerlich gemacht worden. Es ist die Verrückung der Norm des Untragbaren, es ist das Verschieben und Umspielen des Verdikts, was Mode macht. Was gestern noch ganz untragbar schien, ist morgen ein must. Mode durchbricht per se immer schon und immer wieder Erwartungshorizonte.
Trotzdem gibt es Kleider, die im tatsächlichen oder übertragenen Sinne untragbar sind und deshalb dieser An- und Enteignung, dieser Verrückung und Verschiebung von Normen des Angemessenen, des Schönen, des Erotischen grundsätzlich widerstehen und folglich nicht Teil der Mode werden können. Ihre Untragbarkeit kann empirisch gegeben sein: Der aus Insektenpanzern hergestellte Mur de la montée des anges von Jan Fabre (1993) verbuchstablicht die Metapher des Kleides als Panzer. Das Wedding Dress von…