Das Thema Beutekunst ist fast so alt wie die Kunstgeschichte
CHRISTINE BREYHAN SPRACH MIT HENNING SCHERF
Am 30. April 2000 wurden 101 bedeutende Graphiken und Aquarelle in den Besitz des Kunstvereins in der Bremer Kunsthalle zurückgegeben. Die Blätter waren 1993 anonym bei der Deutschen Botschaft in Moskau abgegeben worden. 50 Gemälde und insgesamt 1715 Zeichnungen und 3000 Druckgraphiken waren 1943 in die Mark Brandenburg im Schloss Karnzow ausgelagert worden. Unter den Rückgekehrten sind z. B. Werke von Jan Brueghel d. Ä., Eugène Delacroix, Albrecht Dürer, Francisco Goya, Édouard Manet, Henri de Toulouse-Lautrec. Die Werke wurden vom 9. Juli bis zum 20. August in der Kunsthalle Bremen ausgestellt. Was vor einer eventuellen Bombardierung Bremens in Sicherheit gebracht werden sollte, fiel in den letzten Kriegstagen russischem Militär in die Hände.
Wie erst viel später bekannt wurde, hat die Sowjetunion erhebliche Teile der von Deutschen geraubten Kunstwerke – man spricht von einer halben Million Objekten – nach dem Krieg durch die Amerikaner zurückerhalten. “Allein aus den Central Collecting Points in der amerikanischen Besatzungszone erhielt die Sowjetunion 534 120 Museumswerke und andere Positionen aus Archivlisten zurück.”1 Der Verbleib dieser zurückgegebenen Kunstwerke aus nationalsozialistischen Beutebeständen wurde teilweise bis heute geheimgehalten.
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Christine Breyhan: Das Thema Beutekunst ist fast so alt wie die Kunstgeschichte. Henning Scherf, ehe ich auf die aktuelle Rückgabe der Kunstwerke an die Bremer Kunsthalle komme, möchte ich Sie ganz allgemein fragen, warum reichte fast allen Eroberern zu allen Zeiten die Vereinnahmung von Land und sonstigen Gütern nicht? Seit jeher sollte Kriegsgewinn durch den Besitz von Kunst geadelt…