Klaus Honnef
Das subjektive Moment in der Dokumentar-Fotografie
Materialien und Gedanken zu einer neuen Ansicht über Fotografie
Als der damalige Kritiker und spätere Filmemacher Alexandre Astruc im Jahre 1948 die “Geburt einer neuen Avantgarde”1 ausrief, konnte er nicht überschauen, welche weit reichenden Folgen seine Proklamation haben würde. Zwar schuf er nicht, wie er zweifellos beabsichtigt hatte, die theoretische Grundlage für einen neuen Abschnitt in der Entwicklung des Films, einen Neubeginn unter radikal veränderten künstlerischen Voraussetzungen, dafür gab er aber den Anstoß für eine grundsätzliche Umorientierung in der kritischen und vor allen Dingen theoretischen Behandlung des Ausdrucksmittels, dem sein Aufsatz galt. Astruc forderte nichts Geringeres als einen Film, in dem die bis dahin übliche Trennung zwischen Regisseur und Drehbuchautor, zwischen demjenigen, der einen Film schrieb und demjenigen, der den literarischen Entwurf des Schriftstellers sozusagen illustrierte, endgültig hinfällig werden sollte. Er hatte erkannt, daß sich durch zahlreiche Filme namentlich amerikanischer Filmregisseure (directors im angloamerikanischen Sprachgebrauch, metteurs en scene im französischen) charakteristische Wendungen, seien sie optischer, seien sie erzählender Natur, zogen, die immer wieder auftauchten, und ihren Filmen eine Art persönlicher Handschrift verliehen, einen gewissen Nachweis einer subjektiven Weltsicht.
Was ihm auffiel, erläuterte er eindringlich am Beispiel des angloamerikanischen Filmemachers Alfred Hitchcock, dessen Werk inzwischen zum Paradigma für die von Astruc inaugurtierte Autorentheorie des Films aufgestiegen ist: “Wenn ein Mann über dreißig Jahre hin und durch dreißig Jahre hindurch mit geringen Abweichungen immer dieselbe Geschichte erzählt – jene einer Seele im Ringen mit dem Bösen nämlich – und über diese lange, einzigartige Linie seines Schaffens den…