Das Selbstporträt als Bildtypus
Werner Lippert
Das Selbstporträt als Bildtypus – ist eine Untersuchung der Mechanismen dieser speziellen Form der Selbstdarstellung. In vielen Arbeiten der zeitgenössischen Kunst – der letzten Zeit vor allem – zeigt sich zunehmend ein Hang zum Individuellen, zum Persönlichen und eben zur Person des Künstlers. So schien es uns angebracht, diesen ‘Bildtypus’ in seinen verschiedenen Formen aufzuzeigen und in seinen unterschiedlichen Funktionsweisen zu analysieren. Ausstellungen zum Thema ‘Selbstporträt’ gab es bisher in der Galerie Martano, Turin, 1974, mit Katalog; in der Galerie Magers, Bonn, 1974, mit Katalog; im Kaufhaus Wertheim, Berlin; – der Kunstverein in Braunschweig hat für dieses Jahr eine Ausstellung mit Selbstdarstellungen aus einer deutschen Privatsammlung angekündigt.
Das Selbstporträt – allgemein, das Porträt -ist primär weniger ästhetisches Produkt, als das Ergebnis eines Repräsentationsbedürfnisses. Unabhängig von seiner physischen Anwesenheit will der Dargestellte anwesend sein – das Porträt re-präsentiert ihn im wahrsten Sinne des Wortes, wie verschiedene juristische Bräuche am konkreten Beispiel belegen: dem byzantinischen Kaiserbild werden den Zeremonienbräuchen gemäß fürstliche Ehren zuteil, Todesurteile werden -und das ist der andere Pol des Repräsentationsvermögens – bei flüchtigen Verurteilten ‘in effigie’ vollstreckt. In Geßlers Hut (Wilhelm Teil) oder in der sympathetischen Magie finden sich die mehr mythischen Formen bildlicher Vergegenwärtigung. Die repräsentierende Kraft, die dem Porträt innewohnt, läßt es zu einem Gradmesser sozialer Rollenverhältnisse und -Verschiebungen werden, zugleich bedingt sie eine Entwicklung von Darstellungstypen und -schemata, die notwendig sind, um konventionelle Verhältnisse bildhaft umzusetzen.
Auch wenn in der allgemeinen historischen Entwicklung das Porträt (scheinbar) seinen Rang, seine institutionale Bedeutung verloren hat, wohnt…