Friedrich Cramer
Das Schöne ist eine Gratwanderung zwischen Chaos und Ordnung
Die sogenannte Chaostheorie scheint ein Oberbegriff zu sein, unter den man vieles subsumieren kann. Verkündet wird, daß mit der Chaosforschung eine Revolution geschehen sei, daß also nun ganz andere Dimensionen von Naturprozessen als bisher aufgeschlossen werden können. Hat denn die Chaosforschung bereits den Stand einer Theorie erreicht, und was ist deren Grundeinsicht?
Die Chaostheorie ist eine neue Theorie, die einen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft eingeleitet hat, weil man durch sie gezwungen wird, vom streng linearen und kausalen Weltbild abzugehen. Es gab viele Phänomene in den Wissenschaften, die man bisher nicht in das physikalische Weltbild einordnen konnte und die man deswegen beiseite gelassen hatte. Mit der offenbar sehr erweiterungsfähigen Chaostheorie kann man jetzt einen Teil dieser Phänomene einordnen. Immer dann, wenn wir eine Theorie finden, die viele Erscheinungen zusammenfassen kann, gibt es einen Fortschritt in der Wissenschaft. Freilich wird in vielem über das Ziel hinausgeschossen; wenn man vom Verkehrschaos oder von einem chaotischen Menschen spricht, dann wird das Wort abgenutzt. Aber in seiner strengen Form als deterministisches Chaos, also als Chaos, das aus deterministischen Ausgangsbedingungen entsteht, ist es eine Theorie, die viel zu erklären und vor allem die Offenheit der Welt zu verstehen gestattet.
Was ist denn genauer ein deterministisches Chaos? Und ist die Chaostheorie eigentlich in der Lage, die Phänomene der klassischen Physik, die man bislang als unter unabänderlichen Gesetzen stehend betrachtet hatte, vielleicht als Inseln der Stabilität in einer dynamischen Welt einzubegreifen? Ist sie also umfassender?
Die klassische Physik, wie sie…