Thomas W. Kuhn
Das Potosí-Prinzip
»Wie können wir das Lied des Herrn im fremden Land singen?«
Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 8.10.2010 – 2.1.2011
Das vor kurzem erst glücklich zum Abschluss gekommene Grubenunglück der chilenischen Kupfer- und Goldmine San José hat aktuell die allgemein eher wenig bekannte Tatsache ins Licht der Öffentlichkeit gebracht, dass sich in den südamerikanischen Anden die größten bekannten Vorkommen für die Weltwirtschaft bedeutender Rohstoffe befinden.
Schon im 16. Jahrhundert sprengten die Ressourcen Südamerikas die in Europa bekannten Maßstäbe. Keine andere Stadt als das im heutigen Bolivien gelegene Potosí repräsentierte diesen Reichtum. In der 1545 von spanischen Kolonisatoren gegründeten Bergbausiedlung am Cerro Rico, dem reichen Berg, wurden im Laufe der Jahrhunderte ungeheure Mengen an Silber gefördert. Sie machten die auf 4000 Metern Höhe gelegene Stadt nach 1600 nicht nur zu einer der einwohnerreichsten Städte der Welt, sondern führten zu einem nachhaltigen Effekt auf die Weltwirtschaft, der über Spanien und Europa hinweg bis nach China reichte. Das Königreich Spanien bediente mit dem Silber seine exorbitanten Schulden und kaufte Luxuswaren in großen Quantitäten aus dem Fernen Osten. Einhergehend mit diesen frühen Anfängen der Globalisierung gesellten sich der Wertverfall des Silbers mit Auswirkungen für alle betroffenen Währungen und die Verwandlung der durch afrikanische Sklaven ergänzten indigenen Bevölkerung in Zwangsarbeiter, die unter den unmenschlichen Bedingungen des damaligen Bergbaus zu Millionen Toten führte.
Die beiden Künstler Alice Creischer (*1960) und Andreas Siekmann (*1961) entwickelten einige Jahre lang gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Max Jorge Hinderer (*1980) ein Ausstellungskonzept, dass ausgehend von der Stadt Potosí nicht nur…