Claudia Banz
Das politische Kleid
Jeans sind eine Einstellung und keine Hose“ heißt es in Die neuen Leiden des jungen W.1 1984 präsentierte Joseph Beuys während einer Aktion im Centre Pompidou in Paris eine Jeanshose mit je zwei runden Löchern auf Vorder- und Rückseite, die beide Knie freigaben: “This is the Orwell leg, the trousers of the 21st century. Everybody in the world should make these trousers to themselves, to struggle against world-wide materialism and repression on the young”.2 Beuys war seit den 1960er Jahren ein bekennender Jeansträger. Die Jeans war das Beinkleid der jugendlichen Protestgeneration, die seinerzeit gegen das etablierte, bürgerliche Wertesystem rebellierte. Dass Kleidungsstücke für weltanschauliche Inhalte einstehen können, hatte bis dahin kein Künstler so gezielt für seine Belange genutzt wie er. Da für ihn „[Da] Politik Kunst sein muß, darf die Kunst, die Politik sein will, sich nicht nur damit begnügen, politische Thematik direkt kritisch abzubilden, sondern muss höhere Organisationsformen des Menschen provozieren.“3 Um seiner Vorstellung einer sozialen Plastik als Mittel zur Evolution des Menschen eine breitere öffentliche Wirkung zu verschaffen, legte Beuys sich eine Künstleruniform zu4, in der er sich als Führer und Revolutionär zugleich inszenierte: La rivoluzione siamo noi. (1972).5 Beuys strebte eine Transformation der Gesellschaft durch die Kunst an, wobei dem Denken als wärmeplastischem Prozess eine zentrale Bedeutung zukam. Für ihn fand Denken nicht nur im Gehirn, sondern im ganzen Körper statt. „Ich denke sowieso nur mit dem Knie“, lautet einer seiner bekannten, provokanten Aphorismen. Insofern kann man das Orwell leg als vestimentären Hinweis auf…