Paolo Bianchi
Das „Medium Ausstellung“ als experimentelle Probebühne
Ein Kunstsommer der Rekorde steht vor der Tür: Venedig, Basel, Kassel, Münster, Lyon. Uraufführungen allerorten. Der Puls der Neugier und Neugierigen steigt. Alles präsentiert sich brandneu. Nicht selten jedoch siegt das Ritual über das Repertoire. Wer die Musterschauen zeitgenössischer Kunst als nur Werkausstellungen beschreibt und danach fragt, ob die richtigen Werke ausgewählt wurden, ist längst Old School.
Vom Objektfeld zum Akt der Präsentation
Wenn sich der Werkzwang von einst in einen Ausstellungszwang verkehrt, nähert sich die herkömmliche Ausstellung allmählich der Aufführung, der Inszenierung und dem Spektakel. Es werden keine Werke mehr gezeigt, sondern Projekte realisiert und für einen ganz spezifischen Ort entworfen. Ausstellungsmacher erinnern als Auftraggeber oder Agenten an die Produzenten von Filmen, was in Widerspruch zu den tradierten Konzeptionen von Kunstausstellungen steht. Die teure Paketware von Bildern und Skulpturen macht Arbeiten Platz, die in Gestalt von performativen Installationen in wechselnden Bühnenräumen der Kunst inszeniert werden. Die Ausstellungen verbünden sich mit den Exponaten. Wenn sich das Augenmerk im „Neuen Ausstellen“ vom reinen Objektfeld auf den Akt der Präsentation verlagert, wird die Ausstellung zu einem Ereignis, das die ästhetischen Objekte erst hervorbringt.
Die Anordnung von Dingen und Bildern in einem Schauraum und die Inszenierung von Orten für Präsentationen werden im „Neuen Ausstellen“ vermehrt als Kulturpraxis und komplexer Akt des Zeigens verstanden. Die Einbettung von Exponaten in eine Ausstellung lässt die Dinge nicht mehr als isolierte Objekte erscheinen, sondern als Bedeutungsträger von Zusammenhängen. Das „Medium Ausstellung“ ist nicht das Grab der Wirklichkeit, sondern ein Ort, durch den Wirklichkeit…