THOMAS WULFFEN
Das leere Zentrum
BEMERKUNGEN ZUR DOCUMENTA11
Den Besucher der diesjährigen Documenta empfängt beim Eintritt in das Fridericianum ein leerer Raum. Was zu früheren Documenta zum Aushängeschild der jeweiligen Kuratoren wurde, bleibt hier leer. Unter der besonderen Perspektive der Documenta 11 aber ist diese Leere auch ein klug gewähltes Bild: Das Zentrum ist leer, achte auf die Peripherie. Und diese Leere bezeichnet auch einen Ort, der als Utopie begriffen werden kann. Das ist paradox, denn bekanntermaßen ist Utopie die Zusammensetzung aus dem griechischen ,ou’, nicht, und dem ebenfalls griechischen ,tópos’, Ort , Stelle, Land. So ist die Utopie ein ,Nichtland’, ein ,Nirgendwo’. Diese Documenta muss sich also ohne eine Zukunft sehen lassen, dafür verstärkt sie in besonderer Weise die Vergangenheit.
Das lässt sich deutlich an dem neuen Ausstellungsort der Binding-Brauerei ablesen, die den White Cube so heftig feiert wie noch nie. Und das tut sie mit einem Selbstverständnis, dass allenfalls der Besucher noch von einer Feier sprechen kann. Dass man Räume wie diese auch anders bespielen kann, zeigte zum Beispiel vor achtzehn Jahren Hermann Czech mit der Architektur für die Ausstellung ,von hier aus’ in Köln. Heute scheinen betriebskritische Überlegungen zum White Cube vollkommen in den Hintergrund gerückt. Vielleicht weil jede neue Documenta allein durch ihre Existenz die vorherige einer kritische Betrachtung unterzieht. Da lohnt sich die institutionskritische Perspektive eben nicht. Dabei ist es allerdings auch ein besonderes Erlebnis, in den Kuben unterschiedlicher Größe seinen Weg zu verlieren. Ohne Plan in der Hand wird der Besucher diese oder jene Ecke gar nicht…