REGINA BEHRENDT UND GÜNTHER JACOB
Das LEBEN ändern oder Zur Dekonstruktion von LEBENskunst
ENZYKLOPÄDIE DER LEBENSKUNST
BLOCK 1:
DEFINITIONEN DER “ISMEN”
Puritanische LEBENskunst
Konzepte des “guten LEBENs” werden von ihren Befürwortern und Gegnern meistens mit Hedonismus in Verbindung gebracht. Selbst ihre diätetischen und asketischen Aspekte – die Kunst der richtigen Ernährung, der Körperpflege etc. – werden heute häufig als Formen der Lust aufgefaßt. Besonders linke Kritiker, die schon ahnen, daß es bei der Rede vom “guten LEBEN” eher um die Reform des Verhaltens als um die Revolution der Verhältnisse geht, lassen sich da leicht in die Irre führen: Nicht die hedonistische, sondern die selbstbeherrschte und leistungsorientierte puritanische Persönlichkeit hat die Suche nach dem “richtigen LEBEN” zuerst provoziert. Dogmatisch wird von ihr eine Praxis des sich Aufhebens beschworen, die als hohe Kunst der Verfeinerung interpretiert wird: “Ohne Askese keine Kultur” (Freud). Das puritanische Ideal hat seine Anhänger in die endlose Sorge um die winzigsten äußeren Erscheinungen ihres Verhaltens getrieben, die angeblich die entscheidenden Hinweise auf Wert und Schicksal des Individuums darstellten. Die puritanische Propaganda gegen das “nachlässige und weiche Bequemlichkeitsprinzip” war der Boden, auf dem sich der Streit um das “richtige LEBEN” erst entfalten konnte.
Selbstverwirklichung als LEBENskunst
Nach dreißig Jahren Erfahrung mit dem Slogan: “Das Private ist politisch“, ist die Idee der “Selbstverwirklichung” derart in Verruf geraten, daß manche sie für eine Erfindung der Herrschenden halten. Die Behauptung, daß das Private politisch sei, hat seither tatsächlich einige Transformation erfahren. Die “1968” noch von der Kritischen Theorie inspirierte Einsicht, daß das Private (der Sprechort und die alltägliche Reproduktion…